F.L. Jahn und der Turnverein Steyr
Heute wird gerne verdrängt, dass die östeJTeichische Sozialdemokratie, deren Proponenten Adler und Pernerstorfer Bundesbrüder in der Wiener Burschenschaft „Arminia" waren, ihre deutsclmationalen Wurzeln bis in den Zweiten We ltkrieg hinein gepflegt hat, dass z. B. im „roten" Wien der Zwischenkiiegszeit in den Schulen „Deutschland, Deutschland über alles" anstelle der offiziellen österreichischen Bundeshymne gesungen worden ist, um das Deutschbewusstsein der Kinder zu fördern . Selbstverständlich großdeutsch sind aber auch die Christlichsozialen unter Lueger, der mit Schönerer zudem in punkto Antisemit ismus wetteifert. Luegers Antisemitismus ist aber ein rein konfessioneller, die Neidkomplexe seiner kleinbürgerlichen Wählerschaft ansprechender und gegen das liberale Wiener Großbürgertum gerichteter, in dem Juden eine beachtliche Rolle spielen . Schönerers Judenfeindlichkeit, ursprünglich wohl politisch ähnlich motiviert wie die Luegers, gerät aber zunehmend zum Rassenantisemitismus, einer völlig neuen Ideologie, die Juden aufgrund ihres Blutes als minderwe1iig abstempelt, mit all den schlimmen Folgen, auf die näher einzugehen es wohl nicht bedarf. Bedauerlicherweise muss festgestellt werden, dass Schönerers Ideologie in Österreich gerade bei den aus der deutschen Freiheitsbewegung hervorgegangenen Vere in igungen auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Praktisch jede Vereinsgeschichte zeugt von den Auseinandersetzungen, die damals zwischen den alten Liberalen und der Schönerer-hörigen Jugend stattgefunden haben. Erstere leisten oft erbitterten Widerstand, letztere kö1men sich aber nahezu überall durchsetzen. Nach und nach wird in akademischen Korporationen, bei den Turnvereinen und sogar im Alpenverein der „Arierparagraph" eingeführt, wonach Juden nicht (mehr) Mitglieder sein dürfen. 8 ) Auf dem politischen Parkett können sich Schönerer und seine Anhänger hingegen nicht lange behaupten ; auch innerhalb des (nun neben den Christlichsozialen und den Sozialdemokraten bestehenden) „Dr itten Lagers" ver! ieren sie aufgrund von Schönerers Querulantentum bald an Einfluss. 1888 besteht das Dritte Lager bereits aus der gemäßigten „Vereinigten deutschen Linken" und Schönerers ,,Deutschnationaler Vereinigung". 34
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