F.L. Jahn und der Turnverein Steyr
4. Die Bürgerliche Revolution 1848/49 Die Revolution von 1848/49 wird als „bürgerliche" beze ichnet, weil ihr die Programmatik des bürgerlichen Liberalismus zugrunde liegt 5 l, was sich auch in der 82-Prozent-Quote von Staatsdienern und Freiberuflern (und einer 70-Prozent-Quote von Akademikern) in der Frankfurter Paulskirche niederschlägt. Gleichwohl sind an den Aufständen alle Schichten der Bevölkerung beteiligt. Das im Februar 1848 von Marx und Engels veröffentlichte „Kommunistische Manifest" ist hingegen damals noch praktisch unbekannt. Wieder einmal geht der Anstoß von Frankreich (Sturz des „Bürgerkönigs" Louis Philipp und Ausrufung der Zweiten Republik Ende Februar 1848) aus. Im März 1848 kommt es in zahlreichen Staaten des Deutschen Bundes zu Demonstrationen und Aufständen, wobei sich Berlin, Frankfurt und Wien bald als Aktionszentren herausbilden. Besonders heftig wird Wien aus dem Biedermeier geweckt. Unter der schwarz-rot-goldenen Burschenschafter-Fahne - der „deutschen Trikolore", wie sie jetzt in An lehnung an die französische Fahne genaru1t wird - kämpfen Studenten, Bürger und Arbeiter für Freiheit und Demokratie, und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für die unter dem Diktat Wiens leidenden Ungarn, Slawen und Italiener. Es begiru1t am 13. März mit einer Rede des jüdischen Medizinstudenten AdolfFischhof, in der er, wie am Vo11ag unter den Studenten vereinbart, Presse-, Rede-, Lehr- und Lern- sowie Glaubensfreiheit fordert. Nach der im Hof des niederösterreichischen Landhauses gehaltenen Ansprache bricht ein Tumult aus, Barrikaden werden errichtet, das Militär schießt in die Menge, es gibt die ersten Toten, Studenten und Arbeiter toben durch die Stadt. Metternich tritt zurück und flieht nach England, der Kaiser verspricht eine „Konsti tution des Vaterlandes". Das ist ein erster Erfolg und beruhigt die Gemüter. Die 15 Toten der „Märzrevolution", darunter zwei Juden, werden am 17. März gemeinschaft lich auf der Schmelz begraben, wobei der Kaplan der Akademischen Legion, zu der sich die Studenten zusammengeschlossen haben, und der Oberrabbiner von Wien die Leichenreden halten - ein ebenso revolutionärer Akt wie der vorausgegangene Kampf. 27
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