Der Kriegsverbrecherprozeß gegen Otto Perkounig vor dem Volksgericht Innsbruck im Jahre 1953

4 entstanden zumeist unmittelbar, d.h. zwei Jahre nach Kriegsende. Sie weisen dadurch eine größere historische Nähe zum Zeitgeschehen auf, als die Verfahren in den sechziger und siebziger Jahren. Der Nachteil gegenüber den Verfahren der späteren Jahre besteht allerding darin, daß in den Volksgerichtsakten in einem wesentlich geringeren Umfang Prozeß Vorbereitungen - wie Quellensicherung und Zeugeneinvernahmen - ersichtlich sind. In den späteren Verfahren mußten Umstände und Tatsachen dokumentiert und bewiesen werden, deren Existenz 1947 - noch - niemand in Frage gestellt hat bzw. deren Bedeutung für das Gesamtverständnis als noch gering eingestuft wurden. Im Verfahren gegen Otto Perkounig geht das Gericht 1953 seiner politischen Einstellung, seiner Parteizugehörigkeit nicht mehr nach. Sie wird im Urteil lakonisch mit „seine Behauptung, daß er der Partei überhaupt nicht angehörte, ist nicht widerlegbar "4 kommentiert. Versuche, seine Zugehörigkeit zur SS, zur NSDAP nachzuweisen, sind im Akt aber nicht dokumentiert. Die Zugehörigkeit zu Volksgruppen, zur SS und zur Partei ist jedoch nicht unerläßlich, weil dadurch Rückschlüsse auf ein - kritikloses - Übernehmen des nationalsozialistischen Wertesystems zulässig sind. Dieses führte in letzter Konsequenz zu einem Verhalten, das den bis dorthin vermittelten gesellschaftlichen Normen diamentral entgegenstand. Bei der Verwendung von Gerichtsakten ergibt sich das Problem, daß die Justiz subjektive Tatbestände einer einzelnen Person untersucht und dabei „an die strenge Darstellung des Einzelfalls gebunden ist“5 Die Analyse geschichtlicher Vorgänge ist durch die Feststellung oder Widerlegung behaupteter oder angenommener Tatbestände durch ein Gerichtsurteil nicht ausreichend. Viele Aussagen, die für die Juristin, den Juristen unbedeutend sind, sind für die Rekonstruktion des historischen Geschehens von großer Wichtigkeit. Auf Grund der Quellenlage bei Prozeßakten handelt es sich um die Rekonstruktion des subjektiven Geschichtsverlaufes, denn die Zeugenaussagen und auch die Rechtfertigung des Angeklagten geben Auskunft darüber, „wie das historische Geschehen subjektiv erlebt und verarbeitet“ wurde.6 Über das persönlich Erlebte wird die Geschichte - sozusagen von unten - erzählt. Der Alltag der jüdischen Menschen im 4 Urteil Perkounig, 8.7.1953, Verfahren Perkounig, TLA, LG Ibk, 10 Vr 257/53. 5 Garscha, Die Verfahren vor dem Volksgericht Wien (1945 - 1955) als Geschichtsquelle, S 86. 6 Garscha, Volksgericht Wien, S 87.

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