35 Die Führungsschicht der deutschen Industrie war nach den anfänglichen Blitzkriegen großteils der Ansicht, daß der aufgetretene Arbeitskräftemangel nicht von Dauer sein würde und daß die deutschen Facharbeiter ohnedies bald wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren würden. Während der Zeit der Blitzkriege wurde die Beschäftigung der polnischen Bevölkerung, ebenso wie die Beschäftigung von Kriegsgefangenen, noch als Notlösung verstanden. Als die Zeit der Blitzkriege vorbei war, wurde aus der Notlösung eine Notwendigkeit und das Regime war mit dem „zahlenmäßiggrößten Arbeiterproblem aller Zeiten“ konfrontiert.97 Um dem zu begegnen, wurde das Arbeitspflichtalter der polnischen Bevölkerung von 16 bis 60 Jahre auf 14 bis 65 Jahre ausgedehnt.98 Der Betrieb der polnischen Gewehrfabrik der SDP wurde bis zum Herbst 1942 ausschließlich von polnischen Arbeiterinnen und Arbeitern aufrechterhalten und ermöglicht. Dabei war das Verhältnis zwischen den beiden Nationalitäten von der nationalsozialistischen Rassendoktrin und dem Erfolg des Blitzkrieges geprägt. „Der Pole ist bei entsprechender Führung ein guter und genauer Abeiter, wenn er auch an Tempo und Leistung weit unter unseren deutschen Kameraden steht und für uns Deutsche der von unserer Wehrmacht besiegte Feind ist und bleibt. Soweit er jedoch den ihm von uns gestellten Aufgaben eine positive und loyale Einstellung gegenüber zeigt, ersteht uns die Verpflichtung, ihm eine den Verhältnissen angemessene Lebensmöglichkeit zu bieten. " 99 Das „Wohl“ der polnischen Belegschaft lag der Betriebsfiihrung nur im Sinne der Gewährleistung, Sicherung und Steigerung der Produktion am Herzen. Die polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten einen geringeren Lohn und geringere Lebensmittelrationen als die österreichischen bzw. (volks)deutschen Angestellten. Basierend auf der nationalsozialistischen Propaganda, die in der polnischen Bevölkerung auch eine Gefahr für die germanische Rasse sah, mußte eine völlige Trennung der beiden Nationalitäten erfolgen, um den Kontakt zu minimieren. So war es den beiden 97 Naasner, Neue Machtzentren in der deutschen Kriegswirtschaft 1942-1945, S 30. 98 Madajczyk, Okkupationspolitik, S 220. 99 „Steyr im Osten“, Werkruf, 5.Jg., Nr. 1/2, 1942, S 5.
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