Der Kriegsverbrecherprozeß gegen Otto Perkounig vor dem Volksgericht Innsbruck im Jahre 1953

,,Uns kann nichts geschehen: Gewinnen wir den Krieg, sind wir Deutsche, verliert Deutschland den Krieg, sind wir Österreicher!" Der Kriegsverbrecherprozeß gegen Otto Perkounig vor dem Volksgericht Innsbruck im Jahre 1953 Diplomarbeit zur Erlangung des Magistragrades an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck eingereicht bei: Univ.Prof Dr. Gerhard Oberkofler eingereicht von: Elisabeth Tschellnig Innsbruck, im Jänner 1998

Inhalt Einleitung.......................................................................................................................................................... 1 I. Die Steyr-Daimler-Puch Werke bis zum „Anschluß" 1. Steyr als Eisenverarbeitungsstandort im Mittelalter.................................................................... 6 2. Die Gewehrproduktion.......................................................................................................................... 6 3. Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr................................................................7 4. Die Fusion der Steyr-Werke mit Austro-Daimler-Puch...................................................................9 II. Die Steyr-Daimler-Puch AG als Rüstungsbetrieb 1. Der wirtschaftliche Anschluß Österreichs.......................................................................................12 2. Die Übernahme der Steyr-Daimler-Puch AG durch die Reichswerke „Hermann.Göring“......13 3. Investitionen für die Kriegswirtschaft - Tempo Hermann Göring.............................................. 15 4. Betriebsinterne Umstellung..............................................................................................................17 4.1. Nationalsozialistische Betriebs- und Arbeitsverfassung.................................................... 17 4.2. Der Betriebsführer - Höchstleistungen jedes Einzelnen.....................................................19 4.3. Die Arbeiterschaft bei der SDP - Es geht vorwärts in der Bude.......................................21 III. Die Gewehrfabrik in Radom 1. Die SDP in Polen...............................................................................................................................24 1.1 .Verteilung der polnischen Beute................................................................................................24 1.2 .Die Expansion der SDP nach Polen.........................................................................25 1.2.1. „Steyr“ ist wieder Waffenschmiede............................................................................25 1.3 .Die Übernahme der polnischen Gewehrfabriken durch die SDP.......................................... 26 1.4 .Die Gewehrfabrik in Radom................................................................................. 27 2. Die Beschäftigten bei der SDP in Radom....................................................................................... 30 2.1. Die Beschäftigten aus Österreich............................................................................................ 30 2.2. Der Werkschutz........................................................................................................................... 2.3. Die polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter............................................................................34 IV. Das jüdisches Zwangsarbeitslager der SDP in Radom 1. Das Leben der jüdischen Bevölkerung in Radom bis zur Auflösung des Ghettos................... 37 2. Die Liquidierung der Ghettos........................................................................................................... 39 2.1. Die Liquidierung des „kleinen“ Ghettos...............................................................................39 2.2. Die Liquidierung des „großen“ Ghettos............................................................................... 43 3. Die Errichtung des Zwangsarbeitslagers....................................................................................... . 3.1. Lebensbedingungen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter 47 3.2. Fluchtversuche........................................................................................................................... .. 3.3. Krankheit.....................................................................................................................................52 4. Die Arbeitsbedingungen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.................54 4.1. Jüdische Zwangsrbeiterinnen in der Schmiede...................................................................... 57 5. Auflösung des Zwangsarbeitslagers................................................................................................60 6. Demontage der Gewehrfabrik 1944................................................................................................62 V. Der Kriegsverbrecherprozeß 1. Volksgerichte......................................................................................................................................63 2. Zur Person des Angeklagten..............................................................................................................65 3. Der Prozeß................. ........................................................................................................................ 69 Schlußbemerkungen.....................................................................................................................................72

Quellenverzeichnis...........................................................................................................................................75 Bildnachweis....................................................................................................................................................75 Literatur................................................................................................................................ 76

1 Einleitung: Am 8.7.1953 fand in Innsbruck „einer der letzten Volksgerichtsprozesse“ statt.1 Angeklagt war der 38jährige Werkmeister Otto Perkounig, der in jener Zeitungsmeldung als der „Schlächter von Radom“ bezeichnet wurde. Inhalt der Anklage gegen Otto Perkounig war der Vorwurf der Mißhandlung und (Massen)Tötung von jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, sowohl in der Fabrik als auch im Lager. Bei dem Angeklagten handelte es sich um einen ehemaligen Angestellten der Steyr- Daimler-Puch AG, der von 1941 bis 1944 in einer der Steyr-Daimler-Puch AG in Radom kommissarisch unterstellten Waffenfabrik beschäftigt war. In dieser Zweigstelle der Steyr- Werke wurden vor allem Waffen für die Wehrmacht hergestellt. In der Waffenfabrik waren 4.500 polnische und jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt. Ab Herbst 1942 bis zum Sommer 1944 mußten die jüdischen Beschäftigten in einem von der SS bewachten Zwangsarbeitslager nahe der Steyr-Daimler-Puch AG leben. Das Lager war 10 Gehminuten von der Fabrik entfernt. Die Betroffenheit darüber, daß nicht nur bekannte Firmen wie I.G. Farben oder Volkswagen eigene Zwangsarbeitslager in der Nazizeit unterhalten hatten, sondern daß sich auch eine österreichische Firma an der Ausbeutung der zu Häftlingen degradierten jüdischen Bevölkerung in Polen beteiligte, führte zur Auseinandersetzung mit dem Prozeßakt, der sich im Landesarchiv des Landes Tirols befindet und der 1947 mit der Anzeige zweier ehemaliger jüdischer Häftlinge, Michael Feldmann und Rosa Teichmann, begann.2 1 Wiener Kurier, 8.7.1953, 9.Jg„ Nr. 155, S 9. 2 Tiroler Landesarchiv (TLA), Landesgericht Innsbruck, 10 Vr 257/53.

2 Die Arbeit setzt sich im wesentlichen aus 5 Teilen zusammen. Der erste Teil gibt einen Überblick über die Steyr-Daimler-Puch Werke von der Gründung der Waffenfabrik in Steyr durch Leopold Werndl bis zur Fusion mit der Austro-Daimler-Puch im Jahre 1934. Die Fertigung von Waffen hatte in Steyr schon seit dem Mittelalter Tradition. Mitte des 19.Jh. gründete Leopold Werndl eine Gewehrbestandteilefabrik. Die Erfindungen von schnelleren, leicht ladbareren Waffen, wie dem Hinterladergewehr brachten der Stadt und dem inzwischen von Werndl's Sohn Josef übernommenen Betrieb einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung und die Waffenfabrik entwickelte sich zum größten Waffenproduzenten in der Monarchie. Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete auch das Ende der Waffenproduktion in Steyr. Erst die Fusion mit Austro-Daimler-Puch brachte den Steyr-Werken und der Stadt wieder einen geringen Aufschwung. Im zweiten Teil wird der Aufstieg der Steyr-Daimler-Puch Werke zum größten Rüstungsbetrieb in der Ostmark nachgezeichnet. Dabei war der Anschluß an die Reichswerke „Hermann Göring“ und an das aufrüstende Nazideutschland ausschlaggebend. Die Steyr-Daimler-Puch Werke wurden wieder auf Kriegsprodukte wie Maschinengewehre und Karabiner umgerüstet. Dr. Georg Meindl, der unmittelbar nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Reich die Leitung der Steyr-Daimler-Puch AG übernommen hatte, vollzog im Betrieb die Umstellung auf das nationalsozialistische Führerprinzip und er wurde zum unumschränkten Führer der Steyr-Daimler-Puch Werke. Meindl war maßgeblich daran beteiligt, daß die Steyr-Daimler-Puch Werke an der nationalsozialistischen Eroberungspolitik in Polen teilnahmen und im Zuge dessen zwei polnische Gewehrfabriken unter ihre kommissarische Verwaltung bringen konnten. Die Expansion der Steyr-Daimler-Puch Werke nach Polen, explizit nach Radom, ist Gegenstand des dritten Teiles dieser Arbeit. Einer dünnen österreichischen Führungsschicht, großteils Werkmeister, stand eine große Anzahl polnischer Arbeiterinnen und Arbeitern gegenüber. Die Zusammenarbeit der beiden Nationalitäten wurde vom nationalsozialischen Gedanken“gut“ bestimmt. In der Werkszeitung der Steyr-Werke wurde die polnische Arbeiterin / der polnische Arbeiter als eine / einer beschrieben, die/

3 der „an Tempo und Leistung weit unter unseren deutschen Kameraden steht und für uns Deutsche der von unserer Wehrmacht besiegte Feind ist und bleibt. “3 Dementsprechend schlecht waren die Arbeitsbedingungen für die knapp zweitausend polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter bei der SDP. Neben ihnen wurden ab 1942 jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter zur Arbeit gezwungen. Ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner Radoms waren mosaischen Glaubens. Nach dem Ende des Blitzkrieges im Jahre 1939 wurde die jüdische Bevölkerung in zwei Ghettos eingesperrt. Nach der Auflösung der beiden Ghettos wurden die wenigen, die der Deportation nach Treblinka entkommen waren, in das Zwangsarbeitslager der Steyr- Daimler-Puch Werke gebracht. Das Lager wurde von der SS bewacht und die Steyr- Werke , mieteten" die von ihnen benötigten Arbeiterinnen und Arbeiter für ein geringes Entgeld. Der vierte Teil beinhaltet die, auf Grund von Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge rekonstruierten Lebens- und Arbeitsbedingungen von knapp zweitausend jüdischen Menschen im Lager und im Werk, das die österreichische Führungsschicht mit einem auf Terror und Gewalt beruhenden System leiteten. Die Arbeitsbedingungen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war Teil der von zwei ehemaligen Häftlingen im Jahre 1947 erstatteten Anzeige gegen den Direktor der Waffenfabrik, den Personalchef und drei Werkmeister. Die umfangreichen Erhebungen, die Zeugeneinvernahmen auf dem Rechtshilfeweg mit Polen und anderen Staaten verzögerten den Prozeß lange, bis er schließlich im Juli 1953 vor dem Volksgericht Innsbruck stattfand. Dieser wird im letzten Teil der Arbeit behandelt. Die vorliegende Arbeit stützt sich bei der Rekonstruktion des Geschehens im wesentlichen auf die Zeugenaussagen ehemaliger Steyr-Daimler-Puch Beschäftigter. Dabei wurden nicht nur die Aussagen jüdischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter verwendet, sondern auch Aussagen polnischer und österreichischer Angestellter. Diese Aussagen 3 „Steyr im Osten“, Werkruf, 5. Jg., Nr. 1/2, 1942, S 5.

4 entstanden zumeist unmittelbar, d.h. zwei Jahre nach Kriegsende. Sie weisen dadurch eine größere historische Nähe zum Zeitgeschehen auf, als die Verfahren in den sechziger und siebziger Jahren. Der Nachteil gegenüber den Verfahren der späteren Jahre besteht allerding darin, daß in den Volksgerichtsakten in einem wesentlich geringeren Umfang Prozeß Vorbereitungen - wie Quellensicherung und Zeugeneinvernahmen - ersichtlich sind. In den späteren Verfahren mußten Umstände und Tatsachen dokumentiert und bewiesen werden, deren Existenz 1947 - noch - niemand in Frage gestellt hat bzw. deren Bedeutung für das Gesamtverständnis als noch gering eingestuft wurden. Im Verfahren gegen Otto Perkounig geht das Gericht 1953 seiner politischen Einstellung, seiner Parteizugehörigkeit nicht mehr nach. Sie wird im Urteil lakonisch mit „seine Behauptung, daß er der Partei überhaupt nicht angehörte, ist nicht widerlegbar "4 kommentiert. Versuche, seine Zugehörigkeit zur SS, zur NSDAP nachzuweisen, sind im Akt aber nicht dokumentiert. Die Zugehörigkeit zu Volksgruppen, zur SS und zur Partei ist jedoch nicht unerläßlich, weil dadurch Rückschlüsse auf ein - kritikloses - Übernehmen des nationalsozialistischen Wertesystems zulässig sind. Dieses führte in letzter Konsequenz zu einem Verhalten, das den bis dorthin vermittelten gesellschaftlichen Normen diamentral entgegenstand. Bei der Verwendung von Gerichtsakten ergibt sich das Problem, daß die Justiz subjektive Tatbestände einer einzelnen Person untersucht und dabei „an die strenge Darstellung des Einzelfalls gebunden ist“5 Die Analyse geschichtlicher Vorgänge ist durch die Feststellung oder Widerlegung behaupteter oder angenommener Tatbestände durch ein Gerichtsurteil nicht ausreichend. Viele Aussagen, die für die Juristin, den Juristen unbedeutend sind, sind für die Rekonstruktion des historischen Geschehens von großer Wichtigkeit. Auf Grund der Quellenlage bei Prozeßakten handelt es sich um die Rekonstruktion des subjektiven Geschichtsverlaufes, denn die Zeugenaussagen und auch die Rechtfertigung des Angeklagten geben Auskunft darüber, „wie das historische Geschehen subjektiv erlebt und verarbeitet“ wurde.6 Über das persönlich Erlebte wird die Geschichte - sozusagen von unten - erzählt. Der Alltag der jüdischen Menschen im 4 Urteil Perkounig, 8.7.1953, Verfahren Perkounig, TLA, LG Ibk, 10 Vr 257/53. 5 Garscha, Die Verfahren vor dem Volksgericht Wien (1945 - 1955) als Geschichtsquelle, S 86. 6 Garscha, Volksgericht Wien, S 87.

5 Zwangsarbeitslager der Steyr-Daimler-Puch Werke steht daher im Mittelpunkt dieser Diplomarbeit.

6 I. Die Steyr-Daimler-Puch Werke bis zum „Anschluß“ 1. Steyr als Eisenverarbeitungsstandort im Mittelalter Bereits um die Jahrtausendwende wurden in Steyr, das im heutigen Oberösterreich liegt, die ersten Hieb- und Stichwaffen hergestellt. Mit dem „großen Privileg“, das der Stadt Steyr 1287 von Albrecht I. verliehen wurde, erhielt die Stadt das Stapelrecht auf Eisen und Holz sowie das Recht der Fluß- und Brückensperre eingeräumt. Das große Privileg sicherte der Stadt Steyr das Handelsrecht mit den wichtigen Rohstoffen Eisen und Holz zu. „ Wer immer Eisen oder Holz in die Stadt gebracht, soll daselbst drei Tage verbleiben und sein Eisen und Holz den Steyrern auf offenem Markte zu den gewöhnlichen Preisen und festgesetzten Bedingungen hintanzugeben willig sein. 7 Mit diesem Stadtprivileg wurde die wirtschaftliche Grundlage Steyrs als Eisenverarbeitungsstandort gelegt und die Stadt entwickelte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zu einem bedeutenden Eisen- bzw. Stahlverarbeitungszentrum. Bereits im Mittelalter wurden in unzähligen Schmieden Schwerter, Sensen, Sicheln, Feilen, Ketten und Sägen hergestellt. Der steyrische Stahl wurde bis nach Kiew und Konstantinopel gehandelt. Sogar in Venedig konnten eigene Produktionsstätten unterhalten werden. Der Transport des verarbeiteten Eisens erfolgte über die Eisenstraße oder auf der Enns, die eigens dafür schiffbar gemacht wurde. 2. Die Gewehrproduktion Gegen Ende des 16.Jh. sollte Steyr mit der Herstellung von Feuerwaffen als Eisenverarbeitungsstandort an zusätzlicher Attraktivität gewinnen. Spezialisten wurden 7 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 5.

7 eigens aus Thüringen nach Steyr geholt, um den Steyrern die Kunst der Feuerwaffenherstellung zu erlernen. Die neugegründete „Gesellschaft der Rohr- und Büchsenhandlung zu Steyr“ bot dem Kaiser an, alle in Steyr produzierten! Waffen ausschließlich an das Zeughaus in Wien zu liefern, um im Gegenzug als einzige Waffenfabrik in Ober- und Niederösterreich anerkannt und privilegiert zu werden. Da sich Steyr zum evangelischen Glauben bekannte, bezahlte Kaiser Rudolf II, der sich dem katholischen Glauben verpflichtet fühlte, die aus Steyr gelieferten Waffen nicht. Die Glaubenshaltung Steyrs führte in der Zeit der Glaubenskriege zu Absatzschwierigkeiten für Eisen und Waffen aus Steyr. Damit war Arbeitslosigkeit und die Abwanderung von Facharbeitern nach Solingen und in das Rheinland verbunden. Nach Beendigung der Glaubenskriege entstanden in der Mitte des 17.Jh. wieder zahlreiche große Waffenschmieden entlang des Steyr-Flusses, in denen Gewehrbestandteile erzeugt und an Gewehrfabriken in Wien verkauft wurden. 3. Die Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr Neben den großen Waffenschmieden existierten in Steyr unzählige Kleineisenbetriebe. Einer der erfolgreichsten dieser Betriebe war jener des Leopold Werndl, der 1830 eine eigene Gewehrbestandteilefabrik gründete.8 Zeitweise beschäftigte Werndl 400 bis 500 Arbeiterinnen und Arbeiter, die mit der Herstellung von Infanteriegewehrläufen, stählernen Ladestöcken, Lanzenspitzen und -schuhen, Gewehrringen, Griffen, Bajonetten und anderen Gewehrbestandteilen beschäftigt waren.9 Nach dem Tod Leopold Werndls übernahm sein Sohn Josef das Waffenfabriksunternehmen im Jahre 1853 und leitete es gemeinsam mit seinem Bruder als 8 Mathis, Big Business in Österreich, S 294 - 300. 9 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 12.

8 offene Gesellschaft (Firma Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabrik). Josef Werndl erlernte die Waffenfertigung jahrelang in Amerika und zwar bei den Firmen „Colt“ und „Remington“. Er erkannte den industriellen Fortschritt und investierte in'moderne Maschinen, die ersten Maschinen zum Bohren, Drehen und Fräsen von Waffenteilen. Die Maschinen ermöglichten nicht mehr nur das Herstellen von Gewehrteilen, sondern auch von ganzen Gewehren. Werndl entwickelte gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Holub ein Hinterladergewehr, das von der österreichischen Armee mit einer Stückzahl von über einer Viertelmillion bestellt wurde. Die Nachfrage nach diesem neuen Gewehrtyp hatte sich 1866 aus der Niederlage gegen die preußische Armee bei Königgrätz ergeben. Die österreichische Heeresführung hatte die Bedeutung des neuen, schnelleren Hinterladergewehres, wie es von der preußischen Armee verwendet worden war, nach der Niederlage anerkennen müssen. Werndl erhielt nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Bayern, aus der Schweiz, aus Griechenland und aus Serbien Großaufträge, weil zunächst die österreichische, später aber auch andere Armeen auf das neue siegreiche Hinterladergewehr umstellen ließen. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf 5.000 an. Der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft folgte 1869 auch die Änderung der Firmenbezeichnung in Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft. Als ab 1890 die Waffenproduktion auf das neu entwickelte Repetiergewehr umgestellt wurde, erhielt die Werndlsche Waffenfabrik erneut Großaufträge. Die Waffenfabrik entwickelte sich, mit einer wöchentlichen Produktion von 13.000 Gewehren und über 10.000 Beschäftigten, zum größten Waffenproduzenten in der Monarchie und die Stadt Steyr erlangte durch die Werndlsche Waffenfabrik Weltruf und Weltgeltung.10 Mit der Produktion des „Steyrer Waffenrades“ wurde 1894 begonnen. 1908 wurden die ersten Maschinengewehre erzeugt. 10 „Durch unsere technische Leistung stehen wir in der Qualität der Waffen unerreicht da und haben dort, wo die Qualität entscheidet, keine Konkurrenz zu befürchten. “ Josef Werndl anläßlich der 900 Jahr Feier Steyrs. 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 28.

9 Während des Ersten Weltkrieges erreichte die Waffenfertigung von täglich 4.000 Gewehren einen neuen Höhepunkt. Die hohe Produktionskapazität erforderte eine Beschäftigung von 15.000 Frauen und Männern in der Waffenfabrik in Steyr. Insgesamt wurden während der viereinhalb Kriegsjahre 3,000.325 Gewehre, Stutzen und Karabiner, 234.919 Pistolen, 40.524 Maschinengewehre und rund 20,000.000 Waffenbestandteile erzeugt. Das Aktienkapital erhöht sich von 10,5 Millionen auf 15,75 Millionen Kronen. „ Wie kaum eine andere Waffenfabrik hat Steyr seine Pflicht getan und hätte sie im Dienste der Verteidigung der Heimat und des verbündeten Deutschen Reiches - allen und allem zum Trotze - noch weiter erfüllt. "11 Die Friedensverträge sahen für die Waffenfabrik etwas anderes vor. 4 . Die Fusion der Steyr-Werke mit Austro-Daimler-Puch In den Friedensverträgen von St. Germain wurde Österreich ein Waffenerzeugungsverbot vorgeschrieben. Durch dieses Verbot verloren nicht nur tausende Steyr-Angestellte, sondern auch viele in der Zulieferindustrie Beschäftigte ihre Arbeit. Die Stadt Steyr mit seinen Bewohnerinnen und Bewohnern „schien dem Untergang geweiht. "12 Die erfolgreiche Konzeption und Produktion des Steyr-Wagens, die von der Werksleitung noch im Krieg in die Wege geleitet worden war, ermöglichte, daß zumindest ein kleiner Bestand der Arbeiterschaft in der Fabrik verbleiben konnte. 1920 wurde das erste „Waffenauto“ auf den Markt gebracht und die Zahl der Beschäftigten stieg langsam an. Die Produktion von Kriegsgeräten war zugunsten der Fertigung von Automobilen und Fahrrädern gewichen. Dieser Entwicklung Rechnung tragend, wurde 1926 der Name Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr-Werke AG abgeändert. 11 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 42. 12 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 42.

10 Ende der 20er Jahre wurde die Entwicklung des Automobilmarktes in Österreich von den weltwirtschaftlichen Entwicklungen jäh unterbrochen. Die Produktion mußte 1929 sogar vorübergehend eingestellt werden und die mangelnde Nachfrage nach Automobilen veranlaßte die Konzernführung, wiederum tausende Arbeiterinnen und Arbeiter zu entlassen. Die Produktion wurde zwar fortgesetzt, aber erst die Fusion mit den Austro- Daimler-Puch Werken brachte einen geringen wirtschaftlichen Aufschwung für die Steyr- Werke. Durch die Fusion der Steyr-Werke mit den Austro-Daimler-Puch Werken im Jahre 1934 wurde der Name in „Steyr-Daimler-Puch AG“ (SDP) geändert. Die Produktionspalette der Austro-Daimler-Puch umfaßte Automobile, Panzerwägen und Motorräder. Die Beschäftigtenzahlen der SDP stiegen durch die Fusion zwar wieder langsam an, aber bis März 1938 erreichten sie nicht einmal mehr den Stand vor der Weltwirtschaftskrise, wie die Graphik zeigt. Der Stand der ----- ----- ----- ----- ----------- ----- ----------- Gefolgschaftsmitglieder in den Jahren 1925 bis 1939 ----- ----- -------- - ------------------------------------- 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 [Abb.l]

11 „Der Schlag der Hämmer ist Steyrs Pulsschlag; verhallt der Hämmer Klang, dann stirbt die Stadt. "13 Die Steyr-Werke waren der größte Arbeitgeber der Stadt. Die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes war untrennbar mit jener der Stadt verbunden. „Der Beschäftigungsstand der Steyr-Werke ist die Schicksalslinie der Eisenstadt. "14 Trotz Schuschniggs Ankündigung „Die soziale Frage steht gebieterisch vor uns!“15 stieg die Arbeitslosenzahl in Steyr von Mai 1936 bis Mai 193 7 um mehr als 1.000 Menschen an. „ Um 1.000 Tote mehr auf dem Schlachtfeld der Arbeit. “16 Noch im Februar 1938 waren von den 23.000 Einwohnern Steyrs 6000 arbeitslos, ein Drittel davon ohne jede 17 Unterstützung. „Dann geschah das Wunder! Denn über Nacht hat sich das alles geändert, seit die Nationalsozialisten am Werke sind. Der hochqualifizierte Metallarbeiter, der vorzüglich geschulte Nachwuchs aus unseren Fachschulen, der begabte deutschösterreichische Techniker und Ingenieur braucht nicht mehr - wie in früheren Jahren - den heimatlichen Boden verlassen, um seinem Volke zu dienen, um ihm seine besten Kräfte und seine oft bahnbrechenden Ideen geben zu können; er kann - endlich wieder - mit voller Geistesfreiheit im Kreise seiner gleichstammigen und arteigenen Arbeitskameraden, auf seiner ureigenen Scholle werken und schaffen. “18 13 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 71. 14 75-Jahre Steyr-Werke, Festschrift der Steyr-Daimler-Puch AG, S 71. 15 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11. 16 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11. 17 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11. 18 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11.

12 II. Die Steyr-Daimler-Puch AG als Rüstungsbetrieb 1. Der wirtschaftliche „Anschluß" Österreichs 1937 waren in ganz Österreich nach optimistischen Schätzungen knapp 22 %, nach pessimistischen Schätzungen fast 35 % der Erwerbstätigen ohne Arbeit. Ein Viertel davon mußte ohne jede Unterstützung überleben.19 Die österreichische Ökonomie stagnierte und die Arbeitslosenzahlen stiegen. Österreichs Wirtschaftspolitik war den versprochenen Aufschwung schuldig geblieben. Deutschland erlebte hingegen - auf Grund bereits angelaufener Kriegsvorbereitungen - einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung und die Arbeitslosigkeit war weitgehend beseitigt. Die austrofaschistische Wirtschaftspolitik hatte zu einer Unterauslastung von materiellen und personellen Kapazitäten geführt, die dem auftüstenden Deutschland zunehmend von Interesse und Nutzen waren. Bereits 1936 war die österreichische Wirtschaftskraft in Görings Vierjahresplan fix miteinberechnet worden. Dieser Vierjahresplan sollte Deutschland nicht in eine Planwirtschaft umwandeln, sondern er sollte Deutschland - im Hinblick auf Kriegszustände - eine größtmögliche Unabhängigkeit von wichtigen Importgütern einräumen. Dazu sollten Alternativen zum Mineralöl und in der chemischen Industrie entwickelt werden. Ein anderer Schwerpunkt des Vierjahresplanes war die Sicherung und Ausbeutung der zur Verfügung stehenden Erzlager.20 Aus dem Bemühen um Förderung und Verarbeitung minderwertiger Erzlagerstätten entstand der Vierjahresplankonzern Reichswerke „Hermann Göring“ (RHG). 19 Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol, S 11. 20 vgl. Moser, Oberösterreichs Wirtschaft 1938 bis 1945, S 23 ff. Kernbauer/Weber, Österreichs Wirtschaft 1938-1945. in: Taios, Hanisch, Neugebauer (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich, 193 8 - 1945, S 49 ff.

13 Dem Anschluß Österreichs waren zahlreiche Studien über den Zustand der österreichischen Wirtschaft vorangegangen. Die Ergebnisse dienten der Wehrmacht, der Vierjahresplanbehörde Görings und dem Wirtschaftsministerium als Grundlage für die weitere Vorgangsweise bei der Eingliederung Österreichs. Die beabsichtigte Nutzung der Eisenerzvorkommen und eisenverarbeitenden Anlagen erforderte eine stärkere Einbeziehung Österreichs als durch Handelsverträge möglich gewesen wäre. Österreichs Gold- und Devisenreserven wären mit Verträgen auch kaum an das Reich übergegangen. Da sich das Reich gerade in einer Rohstoff- und Versorgungskrise befand, waren die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Österreichs, die noch ungenützte Wasserkraft, die kaum genutzten Eisenerz- und Magnesitlagerstätten und das große, zum teil hochqualifizierte Arbeitslosenpotential für den „Anschluß" mitbestimmend.21 2. Die Übernahme der Steyr-Daimler-Puch AG durch die Reichswerke , Hermann Göring“ Die Übernahme österreichischer Firmen und Rohstoffe durch die RHG erfolgte über die Bank „Creditanstalt-Bankverein“ (CA-BV). Die CA-BV befand sich vor dem „Anschluß“ zum größten Teil in Staatsbesitz22 und nahm nicht nur durch ihre Marktanteile im Bankengeschäft, sondern vor allem durch ihre Funktion als Eigentümerin einer großen Anzahl wichtiger Industrieunternehmen eine überragende Position im österreichischen Wirtschaftsleben ein. Am Beispiel mit der CA-BV wurde geprobt, was der NS- Imperialismus später immer wieder versuchte und auch praktizierte, nämlich die wirtschaftliche Durchdringung eines Staates, in dem die „Industriebanken als Einfallstor in die jeweilige Volkswirtschaft“23 genutzt wurden. 21 Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, S 24 ff. 22 Kernbauer/Weber, Österreichs Wirtschaft, in: Taios, Hanisch, Neugebauer (Hg ), NS-Herrschaft in Österreich, S 57. 23 Mollin, Montankonzerne und „Drittes Reich“, S 117 ff.

14 Die CA-BV war mehrheitliche Eigentümerin der Aktien der Steyr-Daimler-Puch AG. Die Übernahme der SDP durch die Reichswerke war von Wilhelm Keppler, der ab Herbst 1937 als Reichsbeauftragter für Österreich wirkte, vorbereitet worden. Keppler galt als die höchste wirtschaftspolitische Instanz der NSDAP und als Wirtschaftsbeauftragter des Führers. Er war zudem ein enger Mitarbeiter Görings. Keppler wurde von Paul Pleiger, einem der Manager der RHG ersucht, die Aktienanteile an der SDP möglichst bald für die RHG zu erwerben, um das geplante große Rüstungszentrum im oberösterreichischen Zentralraum realisieren zu können. Im Juli 1938 ging das Aktienpaket der CA-BV in den Besitz der Reichswerke über.24 Neben den Aktien der SDP übernahmen die Reichswerke Ende Juni 1938 außerdem noch die Aktienpakete der Steirischen Gußstahlwerke Judenburg, der Stahl- und Temperguß AG, der Simmeringer Maschinen- und Waggonbau AG und der Kärntnerischen Eisen- und Stahlwerke-Gesellschaft in Ferlach, die Simmeringer Waggonfabrik, die Pauker-Werke (und damit die gesamte österreichische Fahrzeugindustrie) und die Linzer Schiffswerft.25 Generalfeldmarschall Göting, der „Wirtschafisankurbler" in Österreic und Sauleiter Pg. Eigruber. [Abb. 2] 24 Perz, Projekt Quarz, S 35. 25 Perz, Projekt Quarz, S 35.

15 Die Übernahme von einer Reihe österreichischer Unternehmen durch die RHG verdeutlicht den Strukturwandel des Vierjahresplankonzerns Reichswerke „Hermann Göring“. Gegründet wurden die RHG mit der Zielsetzung, eisenarme Erze zu verhütten. Durch die Übernahme von österreichischen Stahlwerken gelang der RHG nun der Schritt vom erzabbauenden hin zum erzverarbeitenden Konzern, indem sich die RHG neben dem Erzberg auch die Anlagen der Alpine Montan oder die oberösterreichischen Steyr- Daimler-Puch Werke einverleibte.26 Die Reichswerke „Hermann Göring“ waren bei der Übernahme von österreichischen Firmen im Bereich metallverarbeitender Betriebe anderen deutschen Konzernen gegenüber im Vorteil, weil Hermann Göring persönlich die wirtschaftliche Expansion der Reichswerke, die seinen Namen trugen, forcierte. „Die Eingliederung dieser österreichischen Werke in den Verband der Reichswerke Hermann Göring wird allen zum größten Vorteile gereichen. Die Reichswerke gewinnen durch die Eingliederung dieser bedeutendsten Eisen- und Metallverarbeitungsbetriebe der Ostmark eine wichtige Grundlage für den Absatz ihres Rohstahles, wogegen den Verbandwerken die ausreichende Belieferung mit dem lebenswichtigen Rohstoff Stahl und Eisen unbedingt gesichert ist. “27 Der Konzern RHG stieg zur drittgrößten Aktiengesellschaft im Reich auf, nach den I.G. Farben und den Vereinigten Stahlwerken. Die Steyr-Daimler-Puch Werke wurden durch die Übernahme zum größten Industrieunternehmen in der Ostmark. 3. Investitionen für die Kriegswirtschaft - „ Tempo Hermann Göring "28 Die SDP Führung investierte nach der Eingliederung in die RHG sofort in den militärischen Produktionsbereich. Der Anteil der Waffenproduktion betrug im Jahre 1938 noch den geringsten Anteil am Gesamtumsatz, nämlich lediglich 4,2 %. Die Umstellung 26 Moser, Oberösterreichische Wirtschaft, S 36. 27 „Steyr-Daimler-Puch AG im Verbände der Reichswerke Hermann Göring“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 2. 28 „Steyr-Daimler-Puch AG im Verbände der Reichswerke Hermann Göring“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 2.

16 auf den in den Friedensverträgen von St. Germain eigentlich verbotenen Produktionszweig, die Waffenfertigung, war eines der vorrangigsten Investitionsziele der Nationalsozialisten. Der Anteil der Waffenproduktion betrug ein Jahr später bereits das Dreifache. Die Produktion im zivilen Bereich ging hingegen zurück, was die Zahlen der Fahrradproduktion belegen. Die Produktion der Steyr-Waffenräder betrug im Jahre 1938 noch 13,8 % am Gesamtumsatz, 1939 jedoch nur mehr 8,6%.29 Die Wiederaufnahme von Produktionszweigen und die Steigerung der Produktion wurden durch Rationalisierung und Vergrößerung der Produktionskapazitäten und durch eine Reihe von Um- und Neubauten ermöglicht. Finanziert wurde die Modernisierung des Betriebes durch Rüstungsaufträge der Wehrmacht. Bereits im Frühsommer 1938 war das Hauptwerk in Steyr zum Rüstungsbetrieb erklärt worden.30 Damit war die Bevorzugung des Betriebes vor anderen Nicht-Rüstungsbetrieben gewährleistet. Die Bevorzugung bestand aus der besseren Versorgung der SDP mit Rohstoffen. Ende 1939 waren lediglich 13 oberösterreichische Firmen als Rüstungsbetriebe ausgewiesen. Der „Rüstungssektor“ wurde von den Steyr-Werken dominiert, was die Beschäftigtenzahlen belegen: Ende 1941 arbeiteten 70 Prozent aller Rüstungsarbeiterinnen und Rüstungsarbeiter Oberösterreichs bei der SDP.31 Die rasante Entwicklung der SDP läßt sich anhand der Veränderung der Höhe des Grundkapitals ablesen: Es erhöhte sich von 11 Millionen Reichsmark im Jahr 1938 auf 80 Millionen Reichsmark 1943. Der Umsatz stieg im selben Zeitraum von 57 Millionen Reichsmark auf 456 Millionen Reichsmark.32 29 Perz, Projekt Quarz, S 41. 30 Perz, Projekt Quarz, S 41. 31 Moser, Oberösterreichische Wirtschaft, S 215 ff. 32 Perz, Projekt Quarz, S 41 ff.

17 Unser Jührer in Wien [Abb. 3] 4. Betriebsinterne Umstellung 4.1. Nationalsozialistische Betriebs- und Arbeitsverfassung „ Politisch darf es unter uns keine andere Meinung mehr geben, als die Adolf Hitlers' und 'seid wahrhaft und ehrlich untereinander!' "35 Diese beiden Forderungen bestimmten ab 1938 das Betriebsleben in den Steyr-Werken. Die Eingliederung der Arbeiterschaft in die nationalsozialistische Betriebsführung wurde per Verordnung, „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“, im Sommer 1938 erlassen. 33 Ansprache des Reichsleiters der Deutschen Arbeitsfront Dr. Ley bei der SDP am 3.6. 1938 zitiert nach: „Nationalsozialismus im Betrieb“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 3.

18 Darunter war vorrangig die betriebliche Umstellung von der demokratischen Ordnung (Betriebsräte, Gewerkschaften) auf das Führerprinzip zu verstehen. Die Einordnung unter den Führer im Betrieb, den sogenannten Betriebsführer, erforderte eine geistige und gedankliche Einordnung in den Willen desselben und all jener, die in seinem Auftrage handelten. Dem Betriebsführer wurde die unbeschränkte Befehlsgewalt über seine Arbeiterinnen und Arbeiter eingeräumt. Der Betriebsfiihrer haftete nicht nur für den Betrieb, die Maschinen, sondern auch für die Menschen, für deren Wohl er zu sorgen hatte. „Die Aufgabe, die der Nationalsozialismus dem Betriebsführer stellt, ist eine unvergleichlich schönere aber unendlich schwierigere als früher, denn sie verlangt vom Betriebsführer, daß er zu allererst 'Menschenführer’ ist. "34 Er war aber auch „der Arbeitsbeauftrage der Nation für den ihm vom Führer und vom Volke anvertrauten Betrieb. "35 Der Betriebsfiihrer war für die Leistung und Haltung des Betriebes dem Führer, dem Volk und der Nation gegenüber verantwortlich. Ihm stand die Pflicht der Gefolgschaft gegen, „mit unerschütterlichem Vertrauen und mit unbedingter Treue zum Betrieb zu stehen und jeden vom Betriebsführer erteilten Befehl auf das gewissenhafteste auszuführen, weil es eben im Aufbau, in der Erhaltung und Aufwärtsentwicklung des Betriebes vor allem anderen darauf ankommt, daß jeder - vom ersten bis zum letzten Mann - seine ganze Kraft einsetzt. "36 Die Treuepflicht des einzelnen wurde auch auf Tätigkeiten außerhalb des Betriebes, wie beispielsweise die Teilnahme an Maiaufmärschen, ausgedehnt. Zur Treuepflicht gehörte es auch, bei Bedarf Mehrarbeit in Form von Überstunden, Feiertagsarbeit und dergleichen zu leisten.37 Weitere grundlegende Zielsetzungen der nationalsozialistischen Arbeits- und Betriebspolitik waren „Verbundenheit“ statt Klassenkampf, sowie die Betonung der Gemeinnützigkeit der Arbeit. „Es gibt keinen Klassenkampf mehr, es gibt nur ein einiges deutsches Volk in einem einigen Reich. "38 Die Arbeiterinnen und Arbeiter arbeiteten nicht mehr für den Arbeitgeber, sondern für die Nation, das Volk. Der erste Paragraph des 34 „Nationalsozialismus im Betrieb“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 3. 35 „Nationalsozialismus im Betrieb“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 3. 36 „Nationalsozialismus im Betrieb“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 3. 37 Moser, Öberösterreichische Wirtschaft, S 190 ff. 38 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11.

19 „Gesetzes zur Ordnung der Nationalen Arbeit“ lautete daher auch: „Im Betrieb arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinsamen Nutzen von Volk und Staat. "39 Mit der Betonung des Gemeinsamen, der Treue und des Gehorsams übertrugen die Nationalsozialisten militärische Grundmuster auch auf die Arbeitswelt. Durch die Subsumierung des Arbeitsvertrages unter das „Gemeinschaftsrecht“ ergab sich eine neue rechtliche Situation in Bezug auf Verstöße gegen die Betriebsgemeinschaft. Diese wurden nun als Verstöße gegen die Nation, gegen das Volk geahndet und die Bestrafung erfolgte durch die Organe des Staates, nämlich durch Gestapo und Polizei. 4.2. Der Betriebsführer - „Höchstleistung jedes Einzelnen“^ Am 15. März 1938 - noch vor der Übernahme der SDP durch die Reichswerke - wurde der Generalrat Paul Götzl abgesetzt. Seine Absetzung dürfte wohl im Zusammenhang mit der Tatsache gestanden sein, daß Götzl Jude war.41 Ihm folgte Dr.Georg Meindl, Partei- und SS-Mitglied (ab 1938 als SS-Hauptsturmführer und ab 1944 im Rang eines SS- Brigadefiihrers42), der in seiner Antrittsrede seiner Freude Ausdruck darüber verlieh, „daß ihm die Ehre zuteil wurde, diesem altbewährten Unternehmen und damit der Wirtschaft unseres deutschen Vaterlandes dienen zu können. "43 Er fühlte sich “als der Beauftragte der deutschen Wirtschaft“ und „als Soldat des Führers. "44 39 Moser, Oberösterreichische Wirtschaft, S 191. 40 „Steyr-Daimler-Puch AG im Verbände der Reichswerke Hermann Göring“, Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr. 4, S 2. 41 Perz, Projekt Quarz, S 37. 42 Perz/Fliedl, Konzentrationslager Melk, Begleitbroschüre zur ständigen Ausstellung in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Melk, SH. 43 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 10. 44 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11.

20 Der Sührer am Stande der Steyrwerke (Internationale Automobil- und Totorradausstetlung Betlin, 1939) Petriebsfütcer GeneraldfreEtor Dr. Georg Teindl berichtet dem Sührer uns Dem Generalfeldmarschall über Besdjäftigung und Ausbaupläne [Abb 4] Meindl, der nach dem Ersten Weltkrieg in Wien und Innsbruck Volkswirtschaft studiert hatte, war bereits in der Verbotszeit ein Mitglied der NSDAP gewesen Seine engen Kontakte zur Partei, zur SS und zu den wichtigsten Industriemanagern des Dritten Reiches waren für seine Bestellung ausschlaggebend gewesen. Vor seiner Bestellung in

21 die SDP war Meindl als Vorstandsmitglied der Alpine-Montan tätig und schon damals um enge wirtschaftliche Kontakte zu Göring bemüht gewesen.45 Er wurde am 17. März 1938 zum Generaldirektor der Steyr-Werke ernannt. Er bekleidete nebenbei zahlreiche Funktionen in Rüstungskommissionen und war Aufsichtsrat bei Banken und Industrieunternehmen. „In der Ostmark' war ohne Meindl auf wirtschaftlichem Gebiet kaum etwas zu machen. "46 Auf Meindl trifft die von Mollin konstatierte Herausbildung eines neuen Typs von Unternehmer zu, des „Parteibuchindustriellen“, der seine Position in der Industrie „wegen seiner Parteimitgliedschaft und nicht durch Beauftragung der Kapitalisten erreichte. "47 Meindls Führungsstil und seine Kontakte spielten bei der Expansion des Konzerns eine wichtige Rolle. 4.3. Die Arbeiterschaft bei der SDP - „Es geht vorwärts in der Bude!<<48 Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit war das zugkräftigste Versprechen des Nationalsozialismus gewesen „und ein groß angelegtes staatliches Arbeitsbeschaffungsprogramm im öffentlichen und privaten Bereich sorgte ebenso wie die Investitionen der deutschen Industrie für eine starke Belebung der Binnennachfrage. "49 Die ersten Wehrmachtsaufträge waren von der Überlegung bestimmt, rasche sozialpolitische Erfolge auch in Österreich zu erzielen. 1938 erteilte die Wehrmacht der österreichischen Industrie Aufträge in der Höhe von 25 Millionen Reichsmark. Bis zum Frühjahr 1939 gelang es der SDP-Werksleitung von allen österreichischen Industriebetrieben die weitaus größten Wehrmachtsaufträge zu erhalten.50 45 Bereits 1937 bemühte er sich als Vorstandsmitglied der Alpine-Montan-Gesellschaft um das Zustandekommen eines mehrjährigen Erzlieferungsvertrages in das Reich. Werkszeitung, l.Jg., Juli 1938, Nr.4. 46 Perz/Fliedl, Konzentrationslager Melk, Begleitbroschüre, Sil. 47 Mollin, Montankonzerne und Drittes Reich, S 265. 48 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11. 49 Schreiber,Wirtschaftsgeschichte, S 33 ff. 50 Perz, Projekt Quarz, S 41.

22 Die Investitionen erfolgten in der Absicht, „ das vorhandene Produktionspotential für die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung zu nützen und auszubauen. "51 Die Vergabe der Aufträge konnte propagandistisch als sozialpolitischer Schritt genutzt werden. Als „Wunder des Nationalsozialismus“52 galt die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und die Ankurbelung der österreichischen Wirtschaft. Zu Beginn der Ausbau- und Modernisierungsphase des Werkes konnte die SDP zunächst auf das riesige Arbeitslosenpotential in der Stadt Steyr selbst zurückgreifen. Binnen weniger Monate wurden aber sowohl die Arbeitslosen aus der Umgebung Steyrs als auch Arbeiterinnen und Arbeiter aus anderen Industriegebieten benötigt. „Der Stand der Gefolgschaft wurde bald verdreifacht“53 wurde in der 75-Jahre-Festschrift der SDP stolz verkündet. Die nationalsozialistische Beschäftigungspolitik fand gerade in der Stadt Steyr großen Anklang. Anläßlich der 1.-Mai-Feier bei der SDP im Jahre 1938 wurde die nationalsozialistische Arbeitsplatzbeschaffungsparole „Arbeit und Brot“ euphorisch gefeiert, das gesamte Werk mit Wimpeln und Hakenkreuzfahnen geschmückt. [Abb. 5] 21 Perz, Projekt Quarz, S 41. 52 „Die Steyr-Werke im nationalsozialistischen Umbruch“, Werkszeitung, l.Jg., l.Mai 1938, Nr. 1, S 11. 53 75-Jahre-Festschrift der Steyr-Werke, S 73.

23 Der Anschluß der SDP in den Verband der RHG, der Kriegsbeginn, die Beteiligung an der nationalsozialistischen Eroberungspolitik und die Ernennung zum Rüstungsbetrieb bedingten eine rasche wirtschaftliche Entwicklung der SDP, wie die Beschäftigungszahlen verdeutlichen. Sie stiegen von 7.000 Beschäftigte im Jahre 1938 auf 50.000 im Jahre 1944.54 Die Steigerung der Produktions-, Beschäftigungs- und Auslastungszahlen wurde nicht nur durch in Österreich gelegene Werke erzielt, sondern auch durch die Übernahme polnischer Unternehmungen durch die SDP. Meindl war durch seine Kontakte zur NS- Führung gut über die militärischen und rüstungswirtschaftlichen Pläne informiert und sorgte in seiner Rolle als Generaldirektor dafür, daß sich die SDP an der nationalsozialistischen Eroberungspolitik beteiligte. „ Wie der Soldat mit Waffen, So wir mit Werkzeug schaffen. Darum, mein Führer, kann 's beginnen, Wir müssen da bestimmt gewinnen. " 55 54 Perz, Projekt Quarz, S 42. 55 Das Gedicht stammt aus dem Arbeitsbuch eines Lehrlings, Werkruf, Jg. 4, März 1941, Folge 2, S 1.

24 III. Die Gewehrfabrik in Radom 1. Die SDP in Polen 1.1. Verteilung der polnischen Beute Mit dem Überfall auf Polen im September 1939 begann für die deutsche Wirtschaft der Wettlauf um die polnischen Beutefirmen. Die nach Polen entsandten Vertreter der Reichsbehörden hatten auf Grund der Besitznahme der österreichischen Wirtschaft bereits Erfahrungen bei der Übernahme von Betrieben gesammelt. Im Gegensatz zu Österreich stand bei der Übernahme der polnischen Wirtschaft nicht das Rüstungsinteresse im Vordergrund, sondern vielmehr der gewöhnliche Raub.56 Aus diesem Grunde unterschied sich auch die Art der Übernahme von polnischen Industriebetrieben wesentlich von der Übernahme von österreichischen Firmen. Die Durchdringung und Aneignung der österreichischen und auch der tschechischen Wirtschaft war über die Industriebeteiligungen der CA-BV erfolgt. In Polen wurde das staatliche und private Vermögen der polnischen Wirtschaft und Bevölkerung durch Enteignung und die dazu nötigen Verordnungen einfach „übernommen“. Hermann Görings persönlicher Einsatz für die Reichswerke stellte sich auch bei der Verteilung der polnischen Beute als Vorteil heraus. Göring behielt sich eigenhändig die Entscheidung für die Übernahme großer Industriebetriebe in den eingegliederten Gebieten vor. Ihn interessierten hauptsächlich Objekte, die für die deutsche Kriegswirtschaft und 57 seine Reichswerke wichtig waren. 56 Madajczyk, Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939 - 1945, S 548 ff. 57 Madajczyk, Okkupationspolitik, S 548 ff.

25 1.2. Die Expansion der SDP nach Polen Die enge Zusammenarbeit mit dem faschistischen Staat und die Eingliederung in die RHG ermöglichten es dem Steyr Konzern innerhalb weniger Monate zu einem der großen deutschen Rüstungskonzerne anzuwachsen. Die Produktionskapazitäten wurden nicht nur durch Wehrmachtsaufträge gesteigert, sondern auch die Verlagerung der Produktionsstätten nach Polen spielte eine wichtige Rolle. Über Vermittlung der Reichswerke gelang es der SDP, die beiden großen staatlichen Gewehrfabriken in Warschau und in Radom unter ihre kommissarische Verwaltung zu bringen. 1.2.1. „ 'Steyr' ist wieder Waffenschmiede! "58 Der Aufstieg der Werndlschen Waffenfabrik zur größten Waffenfabrik der Monarchie begann mit der Konstruktion und Produktion von Handfeuerwaffen. Als die Friedensverträge von St. Germain ein Verbot für die Herstellung von Waffen in Österreich vorschrieben, wandte sich die SDP-Führung der zivilen Produktion zu. Im Zuge der Machtübernahme wurde die österreichische Wirtschaft mittels den Investitionen der Wehrmacht umgerüstet und „in den wenigen Jahren der nationalsozialistischen Betriebsführung“ gelang es, die „Waffenerzeugung auf den modernsten Stand der Technik und auf höchste Leistung“ zu bringen.59 Ab 1940 erfuhr die Waffenproduktion einen merklichen Anstieg, der weniger auf weitere Investitionen, als vielmehr auf die Beteiligung der SDP am Raub polnischer Industrieeinrichtungen, explizit auf den Raub einer Waffenfabrik in Radom, zurückzufuhren war. „Die mit dem Einmarsch in Polen beginnende Serie von sogenannten Blitzkriegen erhöhte nicht nur den Bedarf der Wehrmacht an Waffen, sondern ermöglichte der SDP zugleich den Zugriff auf Ressourcen besetzter Gebiete, mit der diese gestiegene Nachfrage nach Kriegsmitteln zur Eroberung weiterer Gebiete befriedigt werden konnte. "60 58 „K 98 K - Die Waffe des deutschen Soldaten“, Werkruf, Jg. 4, Folge 3, 1941, S 4 ff. 59 „K 98 K - Die Waffe des deutschen Soldaten“, Werkruf, Jg. 4, Folge 3, 1941, S 4 ff. 60 Perz, Projekt Quarz, S 49.

26 Slick auf das Werk Radom W erkfoto [Abb. 6] 1.3. Die Übernahme der Gewehrfabrik in Radom durch die SDP In der Zwischenkriegszeit hatte die SDP eine Verkaufsniederlassung in Krakau, Polen, betrieben und einen Einblick in die polnische Wirtschaft gewonnen. Unmittelbar nach der Annexion Polens begaben sich Direktor Meindl sowie sechs Steyr-Arbeiter nach Polen, um zwei Waffenfabrikationsstätten für die SDP zu sichern und zu übernehmen.

27 „Am 27. November 1939 rollte eine Wagenkolonne über die endlosen schnurgeraden polnischen Landstraßen nach Norden. Jeder der fünf Kraftwagen trug an der Stirnwand das Steyr-Zeichen. Es war ein kleines Häuflein Steyr-Leute, die auf Vorposten gerufen wurden, um die polnischen Waffenfabriken in Radom und Warschau zu übernehmen und zu leiten. Generaldirektor Dr. Meindl selbst führte und setzte sie in ihren neuen Wirkungskreis ein. "61 Der Vorstoß der Steyr-Angestellten nach Polen wird in der Werkszeitung „Werkruf" zwar als abenteuerliche und verwegene Fahrt ins Ungewisse beschrieben, aber dies dürfte kaum den Tatsachen entsprochen haben, denn „das Steyr-Management wußte bereits, was es in Polen wollte. "62 Das Interesse galt der Sicherung der Gewehrfabriken in Warschau und Radom, die einen Teil der polnischen „Staatlichen Rüstungswerke“ (Panstwowe Wytwornie Uzbrojenia) bildeten.63 1.4. Die Gewehrfabrik in Radom Die staatliche Gewehrfabrik, die den polnischen Namen „Witwornia“ trug64 war bereits 1925 gegründet worden. Mitte November 1939 verfugte die SDP auf Betreiben der RHG vorerst über die kommissarische Betriebsführung der Gewehrfabrikationsstätte. Die Übernahme der Gewehrfabrik erfolgte dann am 1. August 1940 in Form eines Pachtvertrages - mit der Zusicherung des Vorkaufsrechtes.65 Ende 1942 plante die SDP, die Gewehrfabrik endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen und beabsichtigte, die Fabrik von der Regierung des Generalgouvernements auch käuflich zu erwerben. Am 3.11.1942 traf dazu eine Schätzungskommission in der Gewehrfabrik Radom ein.66 Nach langwierigen Verhandlungen war im Juli 1944 der Kaufvertrag für die 61 „Steyr im Osten“, Werkruf, Jg. 5, Folge 1/2, 1942, S 3. 62 Perz, Projekt Quarz, S 49. 63 Perz, Projekt Quarz, S 50. 64 Zeugenaussage Mojrenfeld Isaak, 25.10.1966, Verfahren Weinrich, 147 Js 38/65, TLA, LG Ibk, 10 Vr 257/53. 65 Perz, Projekt Quarz, S 50. 66 KTB Radom, 3.11.1942, T 77/619, 1807437.

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