Zur Geschichte der Steyrer Arbeiterbewegung
ern nicht bereit, kostbare Milch gegen Geldscheine zu geben, deren Wert keinesfalls gesichert war. Die Milchkommandos hatten Tag und Nacht zu tun. Sie mußten Tabak beschaffen, denn für Tabak gaben die Bauern Milch her. Um zwei Uhr früh schon waren die Milchholer bei den ersten Bauern– höfen. In ganz Steyr-Ost gab es nicht einmal zehn intakte Lastautos, und die paar waren Holzvergaser. Viele Stunden lang mußte das Milch– kommando Treibstoff besorgen, das heißt Holz schneiden und hacken. Trotz dieser ungeheuren Schwierigkeiten war es möglich, die Kleinkin– der und Säuglinge sowie die stillenden Mütter mit Milch zu versorgen. Erst Wochen später gelang es, Molkereieinrichtungen aufzutreiben und im Brauereigebäude in der Pachergasse entstand eine eigene von den Kommunisten geschaffene Molkerei unter der Leitung von Julius Böhm. Es war eine Sensation, über die sich alle freuten, als zum ersten Mal nach langer Zeit zwei Dekagramm Butter für jedes Kleinkind er– zeugt und ausgegeben werden konnten. Am 8. Mai 1945 gab es in Steyr-Ost kein Brot, keinen Sack Mehl oder Getreide. Aber auf verschwiegenen Wegen erfuhren die Stadtfunktio– näre, daß unweit der Stadt 17 Waggon Hafer lagen. In mühsamer Ar– beit wurde der Hafer nach Steyr gebracht, gemahlen und Steyr-Ost hat– te Haferbrot, etwas trocken und brüchig, aber es füllte immerhin die hungrigen Mägen. Die Fleischrationen standen in den ersten Tagen der Teilung nur auf dem Papier. Im Garten des Kinderfreundeheimes auf der Ennsleite tummelten sich eingefangene Pferde von der Wehrmacht. Seltsam, die Tiere wurden von Tag zu Tag weniger, dafür aber gab es bei den Fleischhauern auf der Ennsleite und im Wohngebiet Münich– holz frisches Fleisch. Ein nicht zu unterschätzendes Problem war das Fehlen von Geld. Die Stadtkasse befand sich im Rathaus und das Rathaus lag in Steyr-West. Die Gemeinde Steyr-Ost hatte keine Mark in ihrer Kasse. Man brauchte aber Geld, um die Arbeiter zu bezahlen, um einkaufen zu können. Zwei Kommunisten übernahmen eine schwere Aufgabe . Franz Draber , eben der Todeszelle entronnen, und sein Freund Hans Strauß schwam– men in finsterer Nacht über die Enns. Sie stellten die Verbindung zu den Funktionären von Steyr-West her. Sie bekamen Geld und durch– schwammen noch einmal den Fluß, schlichen sich durch die Postenket– ten und Steyr-Ost hatte für eine Zeitlang Finanzmittel. Später, als die Arbeit des neuen Gemeinderates schon etwas besser eingespielt war, ka– men die Stadtväter auf eine naheliegende Idee: In Steyr-Ost stand ein Finanzamt samt Kasse und einem Hofrat als Vorstand. Kurz entschlos– sen beschlagnahmte die Stadtgemeinde die Kasse und beförderte den heftig protestierenden Hofrat zum neuen Stadtkassier . Diesmal hatte Steyr-Ost Glück. Wenige Tage später traf ein Schreiben von der Regie- 12
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