Heimat-Büchlein von Ternberg

14 Arbeit. Bald verzieht sich der Himmel, schwere Regen ­ wolken hängen über dem weiten Talgrund, mit den schönen Tagen ist es vorbei. Dann ragen die umliegenden Höhen und Bergspitzen im Neuschnee, während im Tal der Regen strömt. Das kann in manchen Wintern lange so dauern, weiße Weihnachten sind gar nicht selten. Im Frühling ist es ebenso. Die Schneerose verblättert ihre Blüten an den steilen Hängen, Leberblümchen und Lungenkraut lugen aus dem dürren Buchenlaub, die Schlüsselblume auf den weiten Talwiesen hin und hin läutet den Frühling ein, das Frühlingsheidekraut schimmert rosenrot von der Berghalde und der Seidelbast, der arge Gesell mit dem freundlichen Unschuldsgesicht, lächelt die blumensuchenden Kinder verlockend an. Hoch oben auf den Zacken des Schobersteins, an den Nordhängen des Kruckenbrettls, des Rehbodens, des Hochbuchbergs und anderer Höhen, verborgen in Schluchten und Schründen der Vorposten des Kalkgebirges, zürnt noch immer der Winter mit einem Auge zu Tal, faucht seinen eisigen Atem über den in Grün und Blüten auflebenden fruchtbaren Tal ­ grund an der rauschenden Enns. Die Obstgärten allerorten legen Blütenschmuck an und entzücken das staunende Auge des Wanderers. Die Obstbaumblüte im Ennstal ist wohl ein ebenso prächtiger Anblick, wie etwa die berühmte Wachau, wenn dort Marillen und Pfirsiche blühen. Wein, Pfirsiche und Marillen gedeihen auch hier, ebenso Edelobst, und das Mostobst erreicht dank der windgeschützten Lage eine Güte, daß die obsthungrigen Buben rauher Gegenden es mit Vergnügen verspeisen und sicherlich manche Gefahr auf sich nehmen würden, wenn sie es erreichen könnten. Sobald nun die Ersten des Frühlings allmählich ab ­ blühen, wenn das duftige Weiß der Obstbäume in un ­ zähligen Blüten zu Boden rieselt, dann rücken neue Blumen nach und gestalten die Wiesen zu einer riesigen Maler ­ palette. Das Wiesenschaumkraut ladet sich lustige Gesellschaft zu Besuch, Wucherblume und Glockenblume, Nelken und Lerchensporn mischen sich in die bunte Menge, selbst der kleine Frühlingswiesenenzian lugt mit seinen tiefblauen Augen aus dem Gras. Das Köstlichste in dieser Zeit aber sind die Narzissenwiesen. Im Hochsommer finden wir noch Akelei und Alpenveilchen, und damit glaube ich, die be ­ kanntesten Blumen unserer Heimat so ziemlich aufgezählt zu haben.

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