Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

78 sollte — eigene Dichtung verwendet, als vielmehr die anonyme „Grysel". Ein näherer Vergleich der drei Stücke führt zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß Mauritius es zuwege gebracht hat, zwei so verschiedenartige Stücke wie die des Anonymus und des Hans Sachs f a st restlos zu einem Drama zusam- menzuschweißen. Dabei muß anerkannt werden, daß der Bearbeiter nicht ohne Verständnis vorgegangen ist und meist, wo er nur einer der Vorlagen folgen konnte, mit richtigem Gefühl dem Besseren den Vorzug gegeben hat. Vom Er ­ folg dieses eigenartigen dramaturgischen Unternehmens mag eine kurze Analyse einen Begriff geben. Dabei will ich versuchen, vor allem auch hervorzuheben, was Mauritius aus Eigenem ergänzt hat. (I. A k t.) Mauritius beginnt nach Hans Sachs — jedoch stark erweitert — mit einem Gespräch zwischen den Räten oder „der Stände Ausschuß", wie er sie nennt, wobei er Gelegenheit findet, die verschiedensten politischen und so ­ zialen Probleme aufzurollen. Die Gründe des Grafen, warum er ledig bleiben will, sind aus der „Grysel", doch z. T. im Anschluß an H. Sachs breiter aus ­ geführt; dagegen ist die Szene mit dem alten Weib („Grysel") aus moralischen ' Gründen fortgelassen. Desgleichen umgeht Mauritius die zweimalige Beschluß ­ verkündigung an das Volk, die in der „Grysel" etwas ungeschickt wirkt. Die Überredung durch den Hofprediger (Doctor Pfarrer) sowie den wirkungsvollen Aktschluß entnimmt er der „Grysel". Im II. Akt führt uns Mauritius die ernsteren Erwägungen des Grafen vor, und wir sehen, daß Grisolds Schönheit schon früher Eindruck auf ihn ge ­ macht hat. Jetzt, da er sich ein Eheweib suchen soll, tritt ihr Bild lebendig vor seine Augen: Eine Jungfrau „von achtzehn jährn / Mit schwartzen äugn und gelben haarn / Mit rotem mund vnd schmalen lendn / Mit der wil ich mein leben endn"^). „Grisoldis kömpt vom Markt." Damit umgeht M. die Simultanwanderung. (Vergl. „Grysel": „hie kompt der Graf zur Grisel vor jrs vatters hauß"; H. Sachs deutet die Ortsveränderung durch „herumbgeen" an.) Der Graf, wie er Grisold erblickt, „redet mit sich": Die wird mein werdn / ists Gottes will / Denn ober jhrem Angesicht Mir gleich mein Hertz im Leibe bricht. Im weiteren (Werbungsszene) folgt M., abgesehen von kleinen Zusätzen, ziem ­ lich wörtlich der „Grysel", doch sind einige Verse auch aus H. Sachs übernom ­ men. Die Umkleidung (Grysel) wird hinter die Szene verlegt. Ebenso das Fest- E) Vergl. Boccaccio: „Seit geraumer Zeit hatte Walter Gefallen an dem Benehmen eines armen Mädchens aus einem benachbarten Dorfe gefunden, und da sie ihm schön genug schien, glaubte er mit ihr ein ganz glückliches Leben führen zu können."

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