Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

4 keine Zusallserscheinung ist, daß der sogenannte „Begründer des deutschen Kunst- dramas", Paul R-e b h u n, ein gebürtiger Österreicher war, so sehen wir uns doch vor die Tatsache gestellt, daß Österreichs Anteil an der dramatischen Pro ­ duktion der deutschen Reformationszeit unverhältnismäßig klein ist. Böhmen be ­ sitzt immerhin einen überragenden Dramatiker in Clemens Stephani. Georg Calaminus setzte in Linz doch nur seine Straßburger Wirksamkeit fort, wenn auch das österreichische Element in seinen späteren Werken 'stark hervortritt — so in seinem Ottokar-Drama (1594), das auffallende Berührungspunkte mit Grill- parzer oufweiftch. Im übrigen sind wir meist auf karge archivalischL Nachrichten angewiesen, die nicht viel mehr als die Existenz von Schul- und Birrgerspielen in den größeren Städten wie Innsbruck, Graz, Klagenfurt, Pr-eßburg usw. bezeugen. Selbst aus Wien ist (wenn wir von den unbedeutenden Stücken des Schlesiers Hieronymus Linck a'bsehen) kaum mehr erhalten, als die nicht allzu originellen Stücke des Oberpfälzers Wolfgang Schmeltzl-). Es hat den Anschein, als habe eine regere dramatische Tätigkeit vielfach erst in der zweiten Hälfte des Jahr ­ hunderts unter den Jesuiten eingesetzt. Nur die alte Eisenstadt Stehr im Lande ob der Enns nimmt eine erfreuliche Ausnahmsstellung ein. Durch! einen glücklichen Zufall sind uns aus dieser Stadt, die im 16. Jahrhundert noch zu den bedeutendsten Österreichs zählte, nicht weniger als dreizehn Schuldramen (in seltenen verstreuten Drucken) erhalten, die ergänzt durch Chroniken und Archivalien ein überaus anschauliches Bild von der Pflege dramatischer Kunst in der Reformations- und Gegenreformationszeit gewähren^). i) Vergl. u. a. Konrad Schiffmann, Magister Georg Calaminus, ein Schulmann des XVI. Jahrhunderts in Linz, Beitr. zur österr. Erziehungs- u. Schulgesch. II, Wien 1899. -) Zu den Theaterverhältnissen Wiens im 16. Jahrhundert vergl. Stumpfl, Süddeutsche Bühnenformen vor Einführung der italienischen VerwandlungAbühne, Zeit ­ schrift für deutsche Philologie 53, 1928, S. 55 ff. — An dieser Stelle sei ein kleiner Irr ­ tum berichtigt, der sich in die Literaturgeschichte eingeschlichen hat. Sowohl Weilen (Die Theater Wiens I, 1899, S. 6), als Nagl-Zeidler (Deutsch-österr. Literatur- geschichte I, S. 574) führen neben dem in den Ratsprotokollen genannten Jörg Muschler als dichtenden Schulmeister einen „Hans Turner" an. Nun findet sich zwar im Ratsbuch von 1543 auf Fol. 21b, die Eintragung: „Den sechzehenden Tag February verert ich auß beuelch Herrn Burgermaisters dem maistcr Hannsen Turner von wegen / das er selbvierter mit der Comedi ganngen fl 2 b dl." In Wahrheit war jedoch dieser Meister Hanns bloß ein Türmer von St. Stephan, wie aus einer anderen Notiz im selben Bande Fol. 23b. hervor- geht: „Mer den zwaintzigisten tag July zalt ich auff Burgermaister vnnd Rathts beuelch / dem Hans Zehenter Turner / auff Sannt Steffans Turn / zu ainer pesserung / vermug ainer quittung vnnd Rathts beuelch, mit No zehen phunt Phenning . . . fl. 10 ß dl." Man darf Wohl annehmen, daß die beiden identisch sind. Vielleicht besorgten die Türmer (wie z. B. in Jglau) die Musik. 3) Als Quellen zur Geschichte der Stadt Steyr kommen in Betracht: die bis 1618 füh ­ rende (deutsche) Chronik des Protestanten Valentin Preuenhuber, Lmnalss Lt^rsn- sss, Nürnberg 1740 (das Handschrift!. Original „8t^ru Vntigua st krasssns" von 1642 liegt

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