Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

50 Die Komödie des Hans Sachs, die 1533 die Reihe der Tobiasdramen er ­ öffnet, kommt freilich künstlerisch kaum in Betracht; sie gehört zu den schlechtesten Stücken des Nürnbergers^H. Ist Hans Sachs zu skizzenhaft, so verfällt Jörg Wickram in das andere Extrem: Sein „Biblischs Spil von dem hehligen und gottsförchtigen Tobia" (1551)^), sür zwei Tage berechnet, ist durch Einfügung von im einzelnen nicht uninteressanten Episoden zu einer solchen Breite ange ­ schwollen, daß der dramatische Kern darin erstickt und die Einheit der Handlung vollständig zerstört erscheint.' Zwei extreme Stiltypen stehen sich hier gegenüber: Auf der einen Seite das mehr andeutende Nürnberger Fastnachtsspiel, auf der anderen das breit ausmalende Elsässische Volksspiel. Und dein entsprechen auch die extremen Bühnentypen: Hier die enge Sukzessionsbühne des Hans Sachs, dort die unbeschränkte, breit hingelagertc mittelalterliche Simultanbühne Wickrams. Zwischen beiden steht Hans Ackermann (Zwickaw 1539), feiner motivierend als Hans Sachs und doch frei von allen überwuchernden Episoden eines Wickram. Darin geht er bereits den gleichen Weg, wie dreißig Jahre später, unabhängig von allen Vorläufern und alle bedeutend überragend, Thomas Brunner. Brunner ist der erste, der die Erblindung des alten Tobias m die Vorge ­ schichte verlegt (während Wickram sogar noch die „History Vvm Künig S-en- nacherib" einbezog). Durch diese Beschränkung des Stoffes rückt die Werbung um Sara symmetrisch in die Mitte. Auf die Vorführung eines dritten Schau ­ platzes (Gabels Haus) muß Brunner Wohl aus bühnentechnischen Gründen ver ­ zichten, da er auf eiue konzentriertere Simultanbühne angewiesen war, als Acker ­ mann und Wickram. Was jedoch Brunner vor allem so hoch über seine Zeitgenossen stellt, das ist die Poesie seiner Sprache, ein treuherzig-inniger Ton, der durch das ganze Stück klingt, und eine Fülle kleiner Details, mit denen er in liebevoller Kleinmalerei die biblische Historie ausgeschmückt, ergänzt und vertieft hat; endlich all die aus dem Leben gegriffenen Züge, die uns seine Gestalten menschlich so nahe rücken. Eine Schwäche hat er freilich, wie wir fchon im „Joseph" sahen; er kann nur gute Menschen zeichnen, denn er sieht auch im Bösen überall das Gute, so daß ihm nicht einmal die Teufel fo richtig böse gelingen wollen und eher als „arme Teufel" noch unser Mitleid erregen. Aber wer wollte das dein Schnldrama- tiker als Fehler anrechnen? Am besten ist Brunner wieder die Gestalt des alten, geprüften Vaters ge ­ lungen. Aber auch für den Schmerz der um den Sohn besorgten Mutter findet er ergreifenden Ausdruck: Trotzdem ist sie noch 1602 zu einer Baseler Hochzeit aufgeführt worden! Aufgeführt in ColMar vermutlich schon 1550. Vergl. Wick S. 21. Neu heraus ­ gegeben von Volte im 236. Bd. des Stuttg. lit. Ver. (Wickrams Werke VI).

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