Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

49 noch die meisten dramatischen Elemente"^. Darauf hat schon Luther in seiner Vorrede zum Buch Tobias hingewiesen und es ist daher nicht zu verwundern, daß aus der Reformationszeit eine stattliche Anzahl von Dramatisierungen dieses Stoffes vorliegt^°). Es war eine in deutschen Städten ziemlich verbreitete Sitte des XVI. Jahrhunderts, daß der Schulmeister zu Patrizierhochzeiten solche Ko ­ mödien mit seinen Schülern zur Aufführung brächte, gewöhnlich im Hause der Hochzeitsleute vor den versammelten GästerV"). Bei der Einfachheit der damaligen Biihnenverhältnisse war das leicht durchzuführen; ein Podium, auf das man im geschlossenen Raum auch ganz verzichten konnte, war etwa im Hof des Hauses mit wenigen, über Fässer gelegten Brettern jederzeit leicht herzustellen. Von Brunner besitzen wir zwei Hochzeitsstücke, einen Tobias und eine Heirat Jsaacs, beide aus dem Jahre 1569. Der „Tobias" wurde, wie wir bereits dar ­ gelegt haben, zur Hochzeit des Wolf Ilrkauff mit der Margarethe Preuenhuberin in Steyr aufgeführt. Der volle Titel lautet: „Die schöne geistliche Gefchicht oder Historia / von dem fromen vnd gottsfürchtigen Tobia / auff das kürtzest Spiel- weis gestellet . . . Durch Thoman Brunner / Latinischen Schulhalter zu Steir / im Land Oesterreich / ob der Enß . . . Wittemberg, gedruckt durch Hans Lufft 1569"^2). Von Brunners erhaltenen Dramen ist der Tobias entschieden das technisch vollendetste. Eine gewisse Symmetrie des Aufbaues ist nicht zu verkennen. Der umfangreiche Stoff ist beschränkt und äußerst geschickt auf die fünf Akte verteilt. Ebenso erscheint die ganze Bühnentechnik mit besonderer Sorgfalt durchdacht. Zu diesen technischen Vorzügen treten noch dichterische, die Brunners Drama zweifel ­ los zum besten und wertvollsten deutschen Tobiasdrama des XVI. Jahrhunderts erheben^). Bergt. Creizenach, Gesch. d. n. Dramas III, 320. — Die Annahme Crei- zenachs, daß für die genannten drei Stoffe „aus jener Zeit keine lateinischen Dramatisie ­ rungen nachweisbar sind", trifft nicht zu. — Eine Verherrlichung des Ehestandes lag na ­ türlich ganz im Sinne der cvangel. Lehre. Vergl. dazu W. Kawera u, Lab und Schimpf des Ehestandes in der Lit. des XVI. Jahrhunderts (Preuss. Jahrb. 69. Bd., 1892). Eine stoffgcschichtliche Arbeit hat August Wick geliefert: Tobias in der dramat. Lit. Deutschlands (1899). Vergl. dazu die Besprechung von Arthur L. Jellinek im Eupho- rion 7, 1900, S. 798 — 801. Als Ergänzung ist Voltes Tobiaseinleitung im 6. Bd. Wickram heranzuziehen. i-i) So wurde Culmanns Jsaac-Drama (ca. 1547) von Schülern der Spitalsschule bei einer Hochzeit in Nürnberg aufgeführt. i") Das einzige bekannte Exemplar in der Landesbibliothek Wolfenbüttel (Sammel- band) war in letzter Zeit unauffindbar. i^) Ich verweise aus die stoffgeschichtliche Arbeit von A. Wick (a. a. O.), der die Ver ­ dienste Brunners z. T. sehr gut ersaßt hat. Seine Inhaltsangabe (S. 29 ff.) ist leider ober­ flächlich, und für eine gerechte Beurteilung der dramatischen Technik fehlen ihm die bühnen- gcschichtlicheu Kenntnisse. 4

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