Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

48 Der kürtz ich nachgegangen bin / Vnd fürnemlich gsthen dahin / Das nit die Actiou lang werdt / Vnd mehr als einen tag begerdt. Als Trost fügt er hinzu: Das in den Reimen ist gemelt / Was im Act nicht wird fürgestelt / . . . Eine rein künstlerische Stoffbeschränkung, z. B. im Sinne der drei Einheiten, lag Brunner ferne, entsprach gar nicht der mittelalterlichen Spieltradition mit Pro ­ zessionscharakter und Simultantechnik. Was die Niederländer Crocus und Macro- pedius in ihren lateinischen Dramen — unter dem Einflüsse der klassischen Vor ­ bilder — anstrebten, kam wohl unserem modernen Drama einen großen Schritt näher, doch muß man darin an sich keinen künstlerischen Fortschritt erblicken. Wir haben es hier mit zwei prinzipiell verschiedenen Kunstformen zu tun, die auch mit verschiedenen Maßstäben gemessen werden müssen. Die fremdgelehrte trug im XVII. Jahrhundert über die bodenständig-volkstümliche endgültig den Sieg davon. Doch im XVI. Jahrhundert hat in Deutschland — vor allem im Süden — noch die mittelalterliche Tradition vorgeherrscht, nicht nur im Volksdrama, auch viel ­ fach im neulateinischen Drama, auch in den Schulen, soweit öffentlich gespielt wurde. Es ist eine bezeichnende Erscheinung, daß der Schweizer Hans von Rüte schon 1538 das Stück des Crocus für eine Aufführung in Bern zu einem zwei ­ tägigen (deutschen) Spiel erweitert hat, das wieder sieben Kapitel der heiligen Schrift umfaßt. Daß Nütes Stück weit hinter der Vorlage zurückbleibt, ist schließ ­ lich nicht die Schuld der verschiedenen Technik, sondern die des deutschen Bear ­ beiters. Daß es Brunner gelungen ist, den breiten Stoff in seinem ganzen Umfang zu einem dramatisch-geschlosssnen Ganzen zu formen^), das verdankt er letzten Endes seiner Bühnentechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen. „Tobias", 1 569. lobis 4. Hüte dich mein Son für aller Hurcrcy / Vnd on dein Weib halt dich zu keiner andern. Von den drei biblischen Stoffen, die für Hochzeitsdramen vor allem in Be ­ tracht kamen (Heirat Jsaacs, Tobias und Hochzeit zu Kana), enthält der Tobias "s) Die Handlung folgt chronologisch ziemlich getreu der biblischen Vorlage: I. Buch Mose, Cap. 37 und 39 — 47. — Cap. 37, 1 — 10 ist in die Vorgeschichte verlegt. Aus Cap. 35 ist nur das Motiv von Rubens Blutschande entnommen. — Einzelne Partien der Bibel find stark zusammengezogen. Die in der Handlung übersprungenen Bibelverse werden z. T. im Dialog berichtet. Wesentlichere Abweichungen werden aus der Inhaltsangabe bei Weilen und aus meiner Analyse im bühnengeschichtlichen Teil ersichtlich.

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