Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

45 um dann das, Thema abzubrechen: Sthen gar zu lang an dieser stat / Das Vieh sich schier vergangen hat / Lasts vns zusammen treiben hie . . . Hinter diesen vier Attesten treten im ersten Akt alle anderen Brüder, aus ­ genommen Joseph natürlich und Benjamin, der zu Hause geblieben ist und also dem Verkauf Josephs nicht beiwohnt, vollständig zurück. Wie hält nun Brunner die Brüder in den folgenden Szenen auseinander? Nachdem ein Bote"^) den blutigen Rock überbracht hat, treten die Söhne vor den Vater (II, 2). Simeon fragt frech und ohne viel Umschweife: „Ghört auch der Rock dem Joseph zu?", worauf Jacob ihn streng zurechtweist: „Ich hab genug / las mich zu rhu /". Nun treten Rüben und Juda heran, und nach ihnen alle jüngeren Brüder, und alle suchen mit herzlichen Worten den betrübten Vater zu trösten. Simeon und Levi aber schweigen. Das scheint Weilen vollständig übersehen zu haben, denn er urteilt über diese Szene: „Was Brunner nicht ver ­ steht, ist die Töne für wahres und erheucheltes Gefühl zu trennen: Wenn die Söhne den Vater wegen Josephs Tod zu trösten suchen, geschieht das in derselben teilnehmenden Weise, wie später Benjamin zu ihm spricht" (S. 99). Ein „erheu ­ cheltes Gefühl" wäre doch nur bei Simeon und Levi anzunehmen — und die versuchen bei Brunner gar nicht, den Vater zu trösten, sondern sie schweigen! Der Vorwurf einer schablonenhaften Charakteristik besteht somit nicht zu Recht. Freilich zu einer Psychologischen Vertiefung, wie sie etwa die lüsterne Sephirach des Crocus (Amsterdam 1535) oder Thiebolt Garts sophistische Sophora (Schlettstadt 1540) oder gar des Macropedius Aegla, dieses aus dem Leben ge ­ griffene Naturwcib, aufweisen, schwingt sich Brunner nicht auf. Eine derartige Psychologisierung konnte auch weder seinen künstlerischen noch seinen pädago ­ gischen Intentionen entsprechen. Eine naturalistische Schilderung des Lasters ist nicht seine Sache. Er vermeidet es daher auch, — im Gegensatz zu den meisten Dramatikern des XVI. Jahrhunderts — die Episode mit Potiphars Weib in den Mittelpunkt zu stellen, wie z. B. Thiebolt Gart, oder gar das Stück mehr oder weniger auf die Liebesgeschichte zu beschränken, wie es vor ihm Crocus und Ma ­ cropedius getan haben. Die ganze Episode wird als solche behandelt und meiner Szene (II, 4) möglichst kurz abgetan. Und doch ist ihm die Verfllhrungsszene — gerade in ihrer dramatischen Kürze — besser gelungen, als so manchem Dra ­ matiker seiner Zeit, der viel mehr Gewicht auf sie gelegt hat. Um jede unmora ­ lische Wirkung — Macropedius hielt bei seinem Stück eine diesbezügliche Ent- In der Bibel heißt es bloß: „32. Und schickten den bunten Rock hin und ließen ihn ihren Vater bringen und sagen . . ." Die meisten Dramatiker bestimmten einen der Brüder zum Überbringer. (Ruefs: Nephtalim: Thiebolt Gart: Dan.) Brunner verwendet Sichimita, der Joseph aus den rechten Weg gewiesen hat (I, 2), wodurch diese unmotivierte Gestalt der Bibel doch einige Bedeutung bekommt.

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