Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

38 len einen fast gottesdienstlichen Charakter verleiht, wie einst in den Kivchen- spielen des frühen Mittelalters, erheben sich Brunners Dramen weit über das Niveau rhetorischer Schuldrainen, über die Einseitigkeit religiöser Tendenzdramen und über den groben Realismus bürgerlicher Volksstücke zu wahren tiefempfun ­ denen Kunstwerken, die letzten Endes — ein frühes I' nick ponr 1' art — in sich selbst Genüge finden. Freilich find die technischen Mittel vielfach noch unzuläng ­ lich. Den deutschen Dichtern stand nicht, wie den Neulateinern, eine poetisch- durchbildete Sprache zu Gebote, und die wuchtige Sprache der Lutherbibel ließ sich nur schwer in die achlsilbigen Reimpaare pressen, diese altererbte, mittelalter ­ liche Versform, an der wie an anderen traditionellen Formen festgehalten wurde. Und doch, wie viel kann Brunner mit dieser vielgeschmähten Sprache ausdrücken! Wie echte Menschen läßt er feine Personen reden, nicht wie geschulte Rhetoriker. Wendungen aus der Alltagsfprache bringt er in Verse, Züge aus dem Alltags ­ leben gibt er seinen Gestalten, so daß sie Leben gewinnen, eine Belebung der biblischen Historien im wahrsten Sinne des Wortes „mit jren lebendigen vnd natürlichen Farben". Er lebt sich so vollkommen in das Wort Gottes ein, daß ihm die tote Schrift zur lebendigen Wirklichkeit wird. Und deshalb sind ihm Szenen von so ergreifender Menschlichkeit gelungen, wie kaum einem anderen Dramatiker seiner Zeit. Wie rührende Worte findet Joseph, als er sich seinen Brüdern zu erkennen gibt: (Jacob IV. 5): Für freud dringt mir das Wasser aus / das weinen mir die red verlegt / So gar ist mir mein Hertz bewegt. Schawt mich doch an / ob jr mich tent? Daneben wirken die Verse eines Diebolt Gart, dessen „Joseph"^) nicht zu dein schlechtesten Stücken seiner Zeit gezählt wird, ungeschickt lind banal: Hau hau, ich muß bekennen frei, Mein brudern klarlich, wer ich sei, Bin Joseph, lebt mein vatter noch, Sieh da ich bins, drett zu mir doch. Wie tief empfunden sind die Worte, mit denen Brunners „Joseph" den alten Vater in Ägypten grüßt: O du alter erlebter Greis / Wie ist dein Har vnd Bart so weis / Die kümmernis hat diese gmacht ... (V. 2405 ff.) Voll und gehaltreich sind Brunners Verse und frei von überflüssigem Wort ­ ballast, der bei so vielen Dichtern jener Zeit die Lücken der Form ausfüllen muß. Ed. E. Schmidt, Elsässische Literaturdenkmäler II. Bd., Stratzburg 1880.

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