Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

98 elterlichen Kontinuitätsprinzip (ununterbrochene Vorführung aller Handlungen) und dem im 16. Jahrhundert zunehmenden Bestreben, räumliche und zeitliche Distanzen stärker zu betonen (daher Neigung zur Sukzessionstechnik). Nur von diesen bühnentechnischen Grundlagen aus ist der Aufbau der Brunnerschen Stücke richtig zu verstehen. Denn die Bühnenverhältnisse wirken, um ein Wort Röthes zu gebrauchen, bei gesunder Beziehung des Dichters zur Bühne unmittelbar aus die dramatische Technik und umgekehrt. Solange an der ungebrochenen Kontinuität der Simultanvorführungen festgehalten wurde, konnte eine Einteilung in Akte und Szenen natur ­ gemäß nur nach rein äußerlichen Gesichtspunkten vorgenommen werden, sei es als quantitative Gliederung in möglichst gleichlange Abschnitte, oder bloß stoff ­ lich (vergl. im „Jacob" die durchaus epischen „Kapitelüberschriften" zu jeder Szene!), stets jedoch ohne Zusammenhang mit der Bühnentechnik. Da meist ohne Pausen durchgespielt wurde, konnte eine solche Akteinteilung bei der Auf ­ führung gar nicht zur Geltung kommen (s. im „Jacob" den Aktübergang III — IV). Erst durch die Einführung des Begriffes „hinter der Szene" kann die Gliederung eine technische Bedeutung bekommen, indem nun übersprungene Teile der Handlung zwischen die Akte gelegt und diese „Zwischenakte" durch einen Argumentator oder durch Musik (Chöre) angedeutet werden. Während im „Jacob" diese Einrichtung noch fehlt (der zeitfüllende Chorus V. 1956 fällt nicht an eine Aktgrenze), finden wir sie im „Tobias" schon mit viel Geschick ausgeniitzt. Im Gegensatz zum „Jacob" erstrecken sich hier die Wanderungen jedes ­ mal über einen Zwischenakt (Argument), so daß der Einschub einer zeitfüllenden Szene überflüssig wird: Der 4. Akt schließt mit dem Abschied in Naguels Haus, und wenn gleich zu Beginn des 5. Aktes die Wandernden wieder auftreten, haben sie bereits den größten Teil des Weges zurückgelegt usw. Die Bedeutung der Brunnerschen Bühnenform, deren Umrisse wir rekon ­ struiert haben, liegt in der über bloße Andeutung hinausgehenden Möglichkeit, Jnnenräume zur Darstellung zu bringen, ohne die Simultantechnik aufzugeben. Ihre Verwandtschaft mit der Rederijkerbühne in Holland, deren „huisjes" nach Gestalt und Anordnung mit den „Häusern" bei Brunner im wesentlichen über- einzustimmen scheinendes, liegt auf der Hand. Auch das frühe Jesuitentheater, das sich bekanntlich alle Bühnenformen, die es vorfand, zu eigen machte, hat eine ähnliche Jnszenierungstechnik gekannt (Münchener , Hefter' von 1577; Jacob Gretser u. a.)^). 2^) Bergl. Endepols a. a. O. S. 38: „Os Unischs evarsn clem Mdocnvtsss, vaarvan Ust MvEncliM cloor Aorclisnsn riolitbaar ot onmoUibaar leon ASinaalrt vorcwn sn Ms insssts.! voorriW varsa van ssn clsnr sn osn vsvsisr sn ssn uitMNA naar aoUtsr." Darauf hat W. F l e m m i n g seine Hypothese einer „kindischen Simultanbühne" ge ­ gründet, indem er eine Reihe verschließbarer Nebenbahnen — znr Inszenierung von Jnnen- ränmen und Landschaften (!) — mit einem vorgelagerten Pruszenium annahm (Geschichte des

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