Steyrer Tagebuch, Sondernummer Wehrgraben, 1982-1983

Meinung Gedanken eines a l s Träumer bezeichneten an andere Träumer Die von Kunstfreunden , Mäzenen und der ~ffe ntlichkeit bevorzugten und geschützten ~unstwerke waren zu allen Zeiten und in allen verschiedenen Ländern großem Wandel unterworfen . Früher waren der Geschmack und die Vorliebe innerhalb einer bestimmten Epoche verhältnismäßig beständig und gleichb leibend . Auseinandersetzungen über Stilrichtungen und Ausdrucksformen , wie wir sie heute kennen , gab es in der Öffentlichkeit nicht . Auch die heute bisweilen bis auf die Spitze getriebenen Unterscheidungen fehlten in früheren Zeiten . Die Unterschiede in Stil und Geschmack müssen in der Vergangenheit wohl hauptsächlich im Zusammenhang mit den sozialen Unterschieden gesehen werden . Wie sehr verbreitetes müßte Gefühl dann aber heute ein für Stil und Geschmack entwickelt sein , wo man doch von einer weitgehenden sozialen Angleichung spricht? Hört man aber heute die Meinungen und Aussagen mancher Gemeindepolitiker zum Thema Wehrgraben , so muß man meinen , daß der heut ige soziale Stand bei manchen Menschen auf Kosten einer totalen Geschmacksverwi r rung err eicht wurde . Die Äuße r ungen, Vorhaben und das Vorgehen des Herr n Bürger meisters bezüglich der Ne ugesta l tung des Wehrgrab ens spiegeln einen Dillet antismus wieder , der offensichtlich un ter Politikern größer ist, als in der Bevölkerung . Wie könnte es auch anders sein wo doc h Politiker als ehemalige Kleinbürger an die Stelle der Potentat en der bürgerl i chen Zeit getret en sind und als solche nie den großen Reiz der Kunst im tiefsten Sinn des Wortes empfunden haben . Ein Grund wahrscheinlich , warum sie der Bevölkerung, die mehr Wert auf gutges t alteten Lehensraum legt , so verständnis l os gegenüberstehen . Ohne sinnvoll gestalteten Lebensraum und ohne Wiederbelebung der Architektur kann es zu keiner Weiterentwicklung der Kultun kommen Das Gebäude ist die Mutter aller Künste Sollte das Gebäude wieder höchste Ausdrucksform menschlichen Schaffens werden , das heißt den Irrglauben abzulegen , die Natur durch pathologisch übersteigerte Architektur zu gestalten , dann ist eine radikale Änderung des Systems notwendig . Dann müssen wir der gegenwärtigen Situation ein Ende machen, in der Lebensräume mit wichtiger Bausubstanz annihiliert, und an der Peripherie Trabantenstädte um den Preis kranker Menschen gebaut werden Unsere Aufgabe muß sein, eine gesunde Umgebung für gesunde Menschen zu schaffen . Sollte es aber der Stil mancher Kultureunuchen sein, in geradl ienigen Betonblöcken zu wohnen und auf zubetonierten Flüssen zu wandeln, so sollten sie sich solche Gegenden aussuchen (es gibt bestimmt schon genug davon) und nicht in schönen alten Häusern in vom Verkehrslärm nicht gestörter Umgebung ihre architektonischen Metamorphosen vom Zuschütten und Zubetonieren träumen . Erich Fröschl Grafiker, Maler und Wehrgrabenbewohner Steyr , 82-05-25

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