Steyrer Tagebuch, Sondernummer Wehrgraben, 1982-1983
Die Wehrgrabenkommune 3 Durch das Aufkommen neuer Energieformen wie Dampfkraft und Elektrizität verlor die Wasserkraft im letzten Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig wurde die Erhaltung 'der. Anlagen im Wehrgraben immer kostspieliger und mangels wirtschaftlicher Auslastung vernachläßigt. Die Entwicklung blieb nicht ohne Auswirkung auf die Bevölkerungs- und Baustruktur und bewirkte einen langsamen Verfall des Gebietes. Zahlreiche Betriebsstätten stellten in der Folge den Betrieb ein, die arbeitssuchende Jugend fand keine Beschäftigung mehr und verließ das Gebiet. Die einstige Wehrgrabenkommune, die einmal mehr als 200 Mitglieder hatte, verzeichnete zu Beginn der sechziger Jahre nur noch fünf Mitglieder, Hauptberechtigter war zu diesem Zeitpunkt Die Steyr-Daimler-Puch AG. Im Jahre 1965 wurden die letzten Wasserrechte zurückgelegt und die Grundstücke an die Stadt Steyr verkauft. 1972 löste sich diese jahrhundertealte Institution im Rahmen einer letzten Generalversammlung auf. Paradox Im Wehrgrahen filhle ich mich wohl. Ich hr3.uche ej_nP anp:enehme 1Jmp;ebunp,, um mi ::h wohlzufiihlen. Ich brauche lanp:sam p;ewachsene Architektur, ich brauc~e Formen- und Farbenreichtum, ich brauche umwachsene Natur, bebaute Natur, als beste MöRlichkeit der Vereinip;ung von Stadt und Land. Im l!lehrp;raben finde ich Ruhe und F.rholung, ich kann schauen, atmen, hören und ftihlen, ohne Retonklötze, ohne Renzingestank, ohne Lärm von Autos und Maschinen, ohne Agressivität von Menschen wohnunp:sunwerter und lebensun8erechter Um– gebunP,, und der einzige Aufwand dafür ist, rlRß ich meine Beine in Bewegung setzen und ein Stück gehen muß. Ich finde es paradox, daß ein F.rholun~s raum in einer· Stadt aus wirtschaftlichen F.rwägungen zerstört ~erden :nuß, damj t uns ehe 1 • 1 irtschaft mehr Geld gehen kann unsere Muse in fernen Gegenden zu suchen. Karl Kastner
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