Steyrer Tagebuch - Sondernummer zum 12. Februar 1934

Walter Wippersberg STEYR IM FEBRUAR 1934. UND DER WEG DORTHIN. Der 12. Februar - für viele ein peinliches Datum Wann immer in diesen Tagen vom 12. Februar 1934 die Rede ist (und es ist viel die Rede davon), dann fehlt nur selten die Ver– sicherung, daß natürlich keine alten Gräben aufgerissen werden sollen. Diese Absicht ist selbstverständlich 7-U loben. Lobenswert ist es auch, wenn in Wien der Bürgermeister Gratz seinenVize Busek an der Hand nimmt, um gemeinsam der Toten von damals zu gedenken und im Duett darüber zu klagen, wie grauslich die Zeiten damals waren. Und wenn dann die Schuldfrage ansteht (am Rande wenigstens muß ja auch darüber ge redet werden, denn irgendwer muß doch wohl dafür verantwortlich sein, wenn auf einmal eine ganze Menge Leute erschossen werden), dann fängt das Herumgerede an. Alle Seiten hätten damals Fehler gemacht, hört man dann. Die "Roten" meinen, es seien auf "schwarzer" Seite ein paar Fehler mehr gewesen, die "Schwarzen" er– widern dann gern , daß schließlich die "Roten" mit dem Schießen angefangen hät– ten. Und am Schluß einigt man sich dann doch wieder darauf, daß ei gentlich ja doch die so grauslichen Zeiten schuld an allem gewesen sind. Die bösen alten Zeiten , ach ja. Uberhaupt, so habe ich in den letzten Wochen irrnner wieder einmal gehört, solle man das alles heute nicht mehr so hoch– spielen, um nicht (siehe oben!) die alten Gräben wieder aufzureissen. Daß es den "Schwarzen" peinlich ist, an den Februar 1934 erinnert zu werden, ist ja - weiß Starhemberg - verständlich. Manchmal aber hat man den Eindruck, daß unsere "Roten" den SO-Jahr-Gedenktag am liebsten einfach übergehen würden . Und tatsächlich hat das sozialdemokratische Establishment ja auch wenig Grund, den 12. Februar 1934 als ruhmvolles Datum ins Geschichtsbuch der Sozialdemokratie einzu– tragen. Denn der Arbeiteraufstand vom 12. Februar 1934 war kein schlichtweg so– zialdemokratischer Aufstand; man übertreibt im Gegenteil nur wenig oder kaum, wenn man behauptet, daß die sozialdemokratische Führung an diesem 12. Februar 1934 die österreichische Arbeiterschaft im Stich ge– lassen hat . Barbara Coudenhove-Kalergi hat vor ein paar Wochen in einem Gastkorrnnentar im (ganz be– stimmt nicht "roten") "Profil" geschrieben : Die ö sterreichischen Kämpfe von 1934 ge– hören zu den unvergessenen Legenden der internationalen Arbeiterbe wegung, kaum we– niger als die französischen von 1789 (Er– stürmung der Bastille) und 1871 (Pariser Corrnnune). Immerhin war di e österreichische Arbeiterklasse die einzige außer der spa– nischen , die sich gegen das e uropaweite Aufkommen des Faschismus mit der Waffe zur Wehr gesetzt hat . Es war ein Kampf ohne Führer und ohne Hoffnung auf Sieg - aber trotzdem und eben darum von zeichenhafter Bedeutung. Die Namen Münichreiter, Wallisch oder Weissl sind der Stoff, aus dem anderswo Balladen gedichtet und Lese– bücher geschrieben werden . Neulich hat mich in Losenstein ein alter Mann auf der Straße angesprochen, er habe in der Zeitung gelesen, daß ich für den ORF ir ge ndwas übers 34er-Jahr in Steyr mache. Dazu könne er mir auch allerhand erzählen, sagt er. "Warum tun Sie's nicht?" frage ich, aber der alte Mann winkt ab, keinesfalls will er vor einem Mikrophon erzählen - und privat auch nur dann, wenn ich seinen Namen nirgends nenne. Das verspreche ich ihm natürlich, und da erzählt er mir, was er als Wehrturner (das war eine Art Elitetruppe der Schutzbündler) in diesem Februar 34 in Steyr erlebt hat. Er bittet mich schließlich in sein Haus, um ein Foto herauszusuchen, auf dem die zerschossenen Ennsleiten-Häuser zu sehen sind. Er überläßt mir das Bild auch(es ist

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