Steyrer Tagebuch - Sondernummer zum 12. Februar 1934
16 er für ein "schmutziges Geschäft" hielt. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Rol– le der "schwarzen" paramilitärischen Ver– bände: Sie waren alle dem Kommando der Exe– kutive unterstellt, weshalb es manchmal schwerfällt festzustellen, wo wer dabei war. Organisationen wie die Christlich– Deutschen Turner, die Freiheitsbündler oder die Ostmärkischen Sturmseharen scheinen in die Kämpfe kaum direkt eingegriffen zu ha– ben, waren vielmehr, wie man mir erzählt hat, hauptsächlich zu "Bewachungszwecken" eingesetzt (was immer man sich darunter auch vorstellen mag). Kleinere Heimwehr– verbände haben in Steyr mitgekämp f t, etwa an der Seite der Gendarmerie beim Neutor . Jene größeren Heimatschutzeinheiten aber, mit denen auch Fürst Starhemberg selbst nach Steyr kam, die kamen nur mit Mühe noch so rechtzeitig an, daß sie sich nachher mit als Sieger fühlen konnten. Und der Fürst selber, den der Historiker Manfred Brandl (der sich sonst in seiner "Neuen Geschichte von Steyr" strikt jeden wertenden Kommentars enthält) mit der Randbemerkung bedenkt, Starhemberg, der mir persönlich eine außerordentlich widerwärtige Person ist und stets bleiben wird, jener Starhemberg also kam gerade noch so rechtzeitig, um seine "Ritterlich– keit" unter Beweis zu stellen. In seinen Memoiren s chreibt er: Auf dem Weg dorthin (in die Waf fenfabrik nämlich) begegneten uns die ersten Kolonnen der gefangenen · Schutzbündler , die von Heeresangehörigen eskortiert , heruntergebracht wurden. Um Platz zu machen, mußten wir sogar einen Augenblick stehen bleiben. Ich stieg aus dem Auto aus und näherte mich den Gefange– nen. Zumeist sympathische jüngere Leute, die alle etwas blaß und übernächtig aus– sahen. Das eine oder andere Gesicht kam mir bekannt vor, was durchaus nicht verwunder– lich war, denn seit Jahr und Tag hatte ich Versammlungen in allen Gegenden Oberöster– reichs gehalten, und so war ich da wohl den meisten Menschen begegnet. Ein junger Tiroler Heimatschutzangehöriger aus meiner Begleitung, der unweit von mir stand, schlug mit seinem Gewehrkolben plötzlich ganz unmotiviert auf einen vorübergehenden, gefangenen Schutzbündler ein. Ich gab ihm daraufhin eine knallende Ohrfeige. Auch als die von Starhemberg erwähnten Ko– lonnen längst abgeführt waren, hatten noch nicht alle Kampfhandlungen ihr Ende ge– funden. Auch am Mittwoch, dem 14. Februar, hörte man in Steyr von der Ennsleite her immer noch vereinzelte Schüsse, ein Schutz- bündler ist auch in der frühen Morgenstunden des Mittwochs noch gefa llen. Auch die "Widerstandsnester" in der Neustraße und im Stadlmayrwald konnten erst am Mittwoch ''aus– gehoben" werden . Auf der Ennsleite, um dies noch nachzutra- gen, wurden die Exekutivkräfte be- geistert empfangen - wenn man dem Bericht in der damaligen "Steyrer Zeitung" Glauben schenken darf, dort heißt es nämlich, Poli– zei, Bundesheer und Heimwehr sei als Erlöser empfangen worden. Angst? In einem kleinen Aufsatz fü rs "Wiener Tage– buch" hat Erich Hackl aus unseren Interviews für das ORF-Feat ure Antworten auf die Frage nach der Angst während der Kämpfe kompiliert: Da sei nur Verzweiflung und Wut gewesen. / Er habe nur einen Gedanken gehabt : Wir müssen siegen, und wir werden siegen . / Natürlich . Um den Vater. Nur um ihn . Daß die Arbeiterklasse siegt , habe man ihr ja immer gesagt . / Es war keine Zeit , um an sowas zu denken./ Ganz ehrlich: Nein, keinen Augenblick lang./ Da ist nur gezittert worden./ Am Anfang nicht. Aber wie dann das Radio immer so dumm geredet hat und Militär ge– kommen ist ... Lyrisches zwischendurch Die "Gendarmerierundschau" veröffentlichte im April 1934 ein vom Gendarmerie-Revier– inspektor Dieselbacher aus Strobl am Wolf– gangsee verfaßtes Gedicht zum Thema Fe– bruar-Kämpfe: "Den Helden der Heimat " Es brausten wilde Stürme Durch unser Österreich , Sie brachten schwere Tage Und Stunden sorgenreich. Verhetzte , irre Menschen Erhoben ihre Hand Und wollten roh zerstören Das teure Vaterland. Doch brave Heimatsöhne , Die stritten überall Für Freiheit, Volk und Ehre, Wie das Gesetz befahl. Viel Brave sind gefallen, Am Feld der Heimatehr'; Sie gaben Blut und Leben Für unser Öst'rreich her. Habt tausend Dank ihr Toten, Das Vaterland nun spricht, Es klagt um seine Söhne,
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