Steyrer Tagebuch - Sondernummer zum 12. Februar 1934

10 weshalb man seinen Namen noch nicht nennen könne. An den Tod des Direktors Herbst knüpft sich eine der "Legenden" der Steyrer Februar– kämpfe: Der Wagen, in dem Herbst erschossen worden war, lief auch am nächsten Tag noch immer im Leerlauf - so lange, bis der Treib– stoff im Tank verbraucht war. - Davon wis– sen (vielleicht der grotesken oder auch, je nachdem wie man's sehen will, symbolträch– tigen Bildhaftigkeit wegen) auch jene alten Steyrer noch, die sich sonst kaum mehr an den Februar 1934 erinnern. Nun griff das Bundesheer jedenfalls ein: Kurz nach halb 'ein Uhr mittags marschierte eine Kompanie unter Kommando des Hauptman– nes Fasching , ei nes bekannten Haudegens , in die Damberggasse. Das Militär erwies sich aber als zu schwach . Es konnte nur die Eisenbahnlinie gehalten werden . Zwei Schüs– se verwundeten Fasching . (Brandl) Man hat sogar zu diesem Zeitpunkt noch den Eindruck, daß beide Seiten bestrebt waren, die Dinge nicht "unnöti g" zu eskalieren . Das Bundesheer versuchte nicht etwa, die Ennsleite zu stürmen, sondern setzte nur eine verhältnismäßig kleine Einheit ein . Die Schutzbündler wiederum ließen diese Ein– heit fast leichtsinnig weit herankommen, ob– wohl man sie, wie man mir versichert hat , auch schon beschießen hätte können, als sie über die Ennsbrücke oder durch die Bahnhof– straße marschierten . Taktisch gesehen, war diese "Zurückhaltung" der Schutzbündler natürlich unklug. Belinda Weidinger schreibt in einer Hausarbeit über den Februar 1934 in Steyr: Es wäre für den Schutzbund notwendig gewesen, sofort aggressiv vorzugehen , um die Exekutive und die Regierungstruppen zu überraschen . Doch sie zog sich in ihre Verteidigungsstel– lungen zurück und unterließ di e Offen– sive . Im Laufe des Montagnachmittags wurde die Ennsleite zu einer Art Festung ausgebaut, wozu sie sich als Hochplateau ja durchaus eignet. Aus Holzscheiten und Matratzen wurden Schutzwälle errichtet, an strate– gisch günstigen Plätzen wurden Maschinen– gewehre aufgestellt, denen - auf der anderen Seite - Maschinengewehre auf dem Tabor oder auf dem Turm des Schlosses Lamberg gegen– überstanden1 auch beim Neutor. Außer auf der Ennsleite gab es Schutzbund– konzentrationen im Stadelmayrwald (von wo aus man einige Male versuchte, die Bundes– heerkaserne unter Feuer zu nehmen) und in der Neustraße (dort sollte der Annaberg für eventuell aus der Sierninger-Gegend her ein- dringende Heimwehrverbände gesperrt werden). Gegen Niederösterreich zu sollte die Enns– leite von Schutzbündlern in der Siedlung Klein-aber-mein v.erteidi gt werden. Die in der Neustraße zusammengekommenen Schutzbündler sollten übrigens durch ein im Schloß Engelseck postiertes Maschinen– gewehr in Schach gehalten werden, doch mußte, wie mir ein Schutzbündler aus Neuzeug er– zählte, das Feuer bald wieder eingestellt werden, weil dadurch auch das Krankenhaus in der Sierningerstraße gefährdet war. Um die verletzten Bundesheersoldaten in der Damberggasse zu bergen, wurde vom Tabor aus Verstärkung losgeschickt, in der Folge setzte das Militär zum erstenmal Minenwerfer eegen die Ennsleite ein. Der Montagnachmittag brachte keiner der bei– den Seiten irgendeinen strategischen Vorteil. Die Ennsleite war fest in der Hand der Schutzbündler: eine Festung, die - vorläufig wenigstens - verteidigt werden konnte, aber eben nur verteidigt. Dazu kam, daß die heftigen Schießereien über die Enns hinweg bald die ersten Opfer forderten. Of f ensivaktionen wurden nur von nicht auf der Ennsleite liegenden Schutzbund-Gruppen versucht: Die von August Moser, dem schon erwähnten Betriebsratsobmann der Steyr-Werke, geführte Gruppe, die die Ennsleite in Klein-aber-mein "nach hinten" absicherte, sprengte bei Ramingdorf die Bahngeleise (um damit, was die streikunwilligen Eisenbahner nicht ge– tan hatten, die Züge zum Stehen zu bringen). Die Schutzbündler in der Neustraße versuch– ten, wie schon erwähnt, die Bundesheerkaser– ne anzugreifen, wurden aber in die Flucht ee– schlagen. Im großen und ganzen herrschte an diesem Montagnachmittag eine militärische Patt– Situation: Die Exekutive konnte die Enns– leite nicht erobern, aber die Schutzbündler saßen oben, konnten nicht herunter, konnten sich nur verteidigen. So forderte der Kommandant der Steyrer Ka– serne Verstärkung aus Enns an.

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