Steyrer Tagebuch Nummer 24, Dezember 1984

Modernes Leben Eröffnungen Steyr ist lieb. Steyr ist. wie ein Kind - es freut sich über alles Neue. Steyr war eine Ritterstadt. Steyr ist eine Schul- und Kaufstadt. Steyr wird viel leicht ein– mal noch wichtiger werden. Das haben sich schon viele gedacht. Ich wi 11 sie jetzt gar nicht a 11 e nennen - die Werbung machen sie ohnehin selber; aber sie a l l e dürften den einen Gedanken gehabt haben: mit MIR wird Steyr noch einmal richtig wichtig werden! Und: sie zeig(t)en es den Steyrern. Sie zeig(t)en es ihnen mit mächtigen Denkmälern des Fleißes und der Originalität (von der man zwar nicht immer etwas merkt, aber haben die Steyrer überhaopt einen Sinn für Originalität?). Mit geradezu rührender Besorgtheit um die Erhaltun~ von Fassade~ Mit einem Versteckspiel (Hauptrequisit: man nehme (s)ein Haus und hü 11 e es über und über ••• - oh, i eh wo l lte doch keine Werbung machen ••• ), das an Genial i tät wohl kaum zu überbieten ist. Mit Luftballons, damit auch die Kinder (und die Kind-Gebliebenen) etwas von der •Er– öffnung haben. Frei lieh - Rei fenkaufen müssen schon die Eltern. Wenn ich mir a11 diese "Aktivitäten" ansehe, so komme ich nicht umhin, die grenzenlose Güte einiger Unterne– hmer dankend zur Kenntnis zu nehmen. Ieh bin einfach dankbar dafür, daß einige diese (fast) meine Stadt in ihr Herz geschlossen, sich gewissermaßen in sie ver- 1iebt haben (Schluß dieser Schwärmereien, sonst wird es kitschig!). Die Steyrer spüren natürlich, daß sie auf einmal im Mittelpunkt stehen. Da wird ihnen warm um's Herz und mit einem herrlichen Gefühl in der Brust und ein unausgesprochenes "Wir lieben Euch!" auf den Lippen stürmen sie die Läden, in der Hoffnung, dort ihren Gönnern näher zu sein und ihnen vi e11 eicht (oh, wie schön) sogar die Hand drücken zu dürfen. Natürlich können das nicht a l l e - und so beweisen die anderen ihre Liebe, indem sie - kaufen. Und so kann man dann nach gelungener Eröffnung sich sti 11 zurückziehen in sein Kämmerlein, voll Dankbar– keit gen Himmel schauen und mit warmem Lächeln sein Haupte betten. · Später liest man dann den PR-Bericht und noch späte.r kann man seinen Enkeln erzählen: "I eh bin dabei gewesen." Und die Enkel werden hoffen, daß auch sie einmal dabeisein dürfen, wenn große Männer in Steyr eröffnen. Richard Kram 7

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