Steyrer Tagebuch Nummer 23, November 1984

6 Wirtschaftsgeschichte PAUL W ROTH Die Eisenwarenproduktion im Zeitalter der Industrialisierung Der M11telpunkl der 1nnerosterre1ch1schen Eisengew1n– rung und som,1 auch der E1seninduslr1e war der Ste1r1sche Erzberg. Wahrend "> 1 ch die E1senmdustne der Steiermark aber ostl,ch vom Erzberg konzentrierte. 11a1 S•ch als deren M111elpunkt in Oberos1erre1ch die Gegend in und um Steyr. in N 1 ederosterre,ch hauptsachllch um Waidhofen an der Ybbs herausknstall1s1ert. Getrennl davon 1st die En1w1cklung 1n Karnten und Kram zu sehen Frühlndustrlalisierung (1780- 1848) D 1 e E1senmdust11e der Alpenlander 1st schon se,1 langem sehr bedeulend 'l"' wesen Namenll,ch die Sensen und S,cheln. die ,n der Steiermark, in Ober– ,,,.,.a N1cderosterre,ch (und Karn1en1 erzeugl wurden. gehorten schon In den Anlangen der merkan1111st1schen Bewegung In Osterre,ch zu den wichtigsten EKportarhkeln Die b,s zum Beginn des 19 Jahrhunderts vorherrschende Form des Kleinbelriebes konnte gerade In der Sensenerzeugung von großbetriebli– chen Organisationsformen abgelost werden 1 Die Sensen- und Sichelham– mer befanden sich ,n N1ederosterreIch meIsIIm V1erIeI ober dem Wienerwald. In OberosIer re1ch die me1sIen 1m Traunv1er1eI aber auch Im Hausruckkreis. Im Muhlv,ertel und Im Innkreis slanden Sensenschm1eden In der SIe1ermark befanden sich last alle Sensenwerke Im Brucker und Judenburger Kreis Um Zahlen sprechen zu lassen. sei darauf verwiesen daß Kaspar ze,111nger In Micheldorf In den vIerz,ger Jahren Iahrllch 150 000 bis 250 000 Sensen erzeugle, der Seßler-Hammer In Krieglach Iahrl1ch 100 000 Sensen produzierte Ahnhche PrOdukllonsmengen wiesen auch der Ze1thnt;er •Hammer 1n EppensIe,n und der Pacherneggsche Hammer zu Ubelbach aus • Den M1t1elpunkl der Sensenerzeu– gung aber blldeien die oberosterre,ch1schen Markle Kirchdorf und M1cheldor1. von denen,,,; 18 Jahrhunderl lasl d1e gesamle Sen!>(>n1ndustrie der SIe1ermark ihren Ausgang genommen halte • Besondere Bedeulung kam dem Ze1chenwe-– sen zu Jeder Sensenhammer besaß ein eigenes Werkszeichen das der Ware aulgeschlagen wurde und dann fur o,e Gule der Arbe11 und des RohsloNes burgle Im Jahre 1841 wurden In der Sle•ermark 1.410 000 Sensen und 381 OOOS1cheln und Strohmesser erzeugt '' in Oberosterreich 1 142 460 Sensen und 175 000 Sicheln. Dabei waren dort die Hallte der 2 800 Beschaf11gten dieses tndustr1e– zweIges infolge einer Krise arbe11slos ., Neben der Erzeugung von Sensen war die Messerschm1edewarenproduktion riach wie vor w1cht1g Sie wat vor allem In Steyr konzentriert Im Traunkreis wurden um 1840 uber 2 M1ll1onen Paar Messer und Gabeln und 2' l1 M1lhonen Taschen- und Rasiermesser erzeugt u Die Zentren der Nagelerzeugung waren ,n den oberosterre1ch1scnen Bezirken Losenstein. Steyr. GarsIen und Ternberg zu finden. wo 1~1 33 Millionen Nagel und Zwecken produz1er1 wurden In Oberosterreich gab es auch um Steyr und spater In Sp11al am Pyhrn Zentren der Wattenschmieden 01e Wattenerzeugung In Steyr begann 1786 m,1 dem Ankaul 110n Aohrhammern durch das Arar. welches diese ,n eine Gewehrlabrik umwandelte Um 1830 betr,eb hier der Bohrerschm,ed Leopold Werndl drei Waffenwerkslatten •• Gründerzelt und Krise (1848- 1881) Große industrielle Züge hatte auch die Wattenindustrie angenommen, wobe, die Durchsetzung der maschinellen Massenproduktion an Gewehren mit dem Namen des Steyrer wattenlabrikanten Josel Werndl verbunden 1st Die Ausru– stung der OsterreichtSCh•ungarischen Armee mil Hmterladergewehren anstelle der alten Vorderlader luhrte zu einem enormen Produktionsaufschwung. Die Entfaltung der österreichischen Maschinen1ndustr1e vollzog sich 1n dieser Periode der GrUnderzeit In den herkommllchen Zentren Wien und Niederoster– reich. aber auch in P,ag und In Triest 1667 zahlle man in Z1sle1than1en etwa 130 Maschinenfabriken Nun enlwickelte sich besonders die Werk.zeugmasch1nen– erzeu9ung rasch, vor allem aber prollherlen Iene Betriebe. die m1I dem Eisenbahnbau und -belrieb Im Zusammenhang standen ' ' 1898 begann übrigens auch die österreichische Wattenfa~riks– gesellschaft In Steyr mil der Fabrikation von Fahrrlidern. Die Vereinigten Fahrrad- und Dürkoppwerke Graz waren das bedeutendste Unternehmen u.M besChäMlgten 1913 650 Arbeiter. An der Wende zum 20. Jahrhunden begann sich übrigens auch in Osterreich eine eigenstindige Autom~b1ll~dustne zu ent– wickeln, nachdem bereits 1875 der Wiener Mechaniker S,egtned Marcus das erste benzingetriebene Automobil der Welt konstruier1 hatte Die Zett seit dem Ersten Weltllrteg (1914-1945) Hin 8 en war der Ausbau der Wasserkrifte in der Steiermark. der ,m Jahre 1921 ~!onnen wurde. lür die Elektroindustrie von bele~nder Wukung. So de die Elin•Aktiengesellschaft Weiz star1t ausgebaut Die Grazer W~ggon• ;~:ik florierte durch Bestellungen der österreichischen Bundesbahnen 1n den Jahren l928 und l929. und auch die Produktion der Puchwerke nahm 1n d1_esen Jahren zu 192 8 wurde das werk mit den Austro-Oa1mler•W~rken 1n Wiener Ne stadt ·1931 mit den Steyr-Werken In Steyr verbunden•• Diese Verbindung ha~e zu; Folge. daß die von Pvch aufgenommene Autoer~eugung in Graz aufgelassen und dafür die Produktion von Fahr- und Motorradern iusgebau~ wurde. Im Jahre l938 zählte man unter den „37.0CIJ damals 1n sterre1c laufenden Motorrädern 32.000 Puchmasctunen OTHMAR PICKL Der Eisenhandel und seine Wege Der Abbau des Erzberges war ottenbar von allem Anfang an von zwei Seiten her betrieben worden- von Süden-das heißt von Vordernberg- und von Norden - das heißt von Innerberg/Eisenerz - her. Dieser Teilung der Abbauzonen entsprach auch eme Zweiteilung der Absatzgebiete. die sich vor allem aus den geographischen Verhciltnissen ergab. Innerberg/Eisenerz lieferte seine Er– zeugnisse zur Enns und Ybbs und diesen Flüssen entlang nach Norden nach Enns und Steyr bzw. nach Waidhofen und Aschbach. Im Kampf um die Handelsvorrechte setzte sich Steyr ,m 15. Jahrhunden als Verlagsort gegen seine Konkurrenten durch und erlangte pra!(.tisch ein Monopol auf den Eisenhandel.• Die Verleger zu Stey, erlangten im Laule der Zeit praktisch eine Monopolstel– lung Im Eisenhandel. weil sie das von den Hammerherren erzeugte Schmiede– eisen aulkaullen und weiterverhandelten. wahrend im Absatzgebiet von Leoben die Hammerherren 1hr Schmiedeeisen lrei weiterverkaufen konnten . Demnach sIanden Im Absatzgebiet von Sleyr die Verleger als Handelsmonopol1sten am Ende der drei Glieder des Eisenwesens.• ,m Leobener ProdukI1ons- und Absatzbezirk aber bildeten die Verleger das. wenn auch außerordenllich wichl1ge. Verbindungs- und VermI1tlungsglied zwischen den Radmeistern und Hammergewerken · Am Handel mI1 dem lnnerberger Eisen waren am Anfang des 13 Jahrhunderts neben Steyr auch das dem Bischof von Freising unterstehende Waidhofen a. d. Ybbs und der ursprünglich passau1sch-freis1ng1sche Markt Aschbach bete1h9t. •• In Steyr wurde Handel mit tnnerberger Eisen ottenbar schon vor dem 13. Jahrhundert betrieben. denn gewohnhe1tsrechthch soll Steyr schon zur Zeit der Babenberger das Stapelrecht lur Eisen und Holz vom Erzberg zugestanden sein. Das besagl Jedenfalls der große Freiheitsbrief. den Herzog Albrecht I der Sladt Steyr 1287 verlieh Durch dieses Privileg wurde Steyr ot11z1ell zum Slapelplatz fur das aus Innerberg kommende Holz und Eisen: daruber hinaus wurde der Stadl und ihren Burgern ein Nachlaß der Abgaben auf den nach Venedig. Wien. Ungarn und den Ins He1llge Romische Reich luhrenden Handelswegen zugestanden.•• Steyr mußte dieses Privileg gegen Aschbach und Waidhofen an der Ybbs ver1e1d1gen. die gle1chta1ts schon zur Zeit der Babenberger am Eisenhandel bete1ligI waren Aschbach konnte diesen Kampl allerdings n1ch1 lange durchste– hen. und da Steyr als landes1urslliche Stadl von den Iewe1hgen Landeslurslen kralt1gsI unlerslutzt wurde. konnIe es auch den lan9en und schweren Kampl gegen die ..E,sensladl' Waidhofen an der Ybbs bis zum Ausgang des tS Jahrhunderls schlleßl1ch zu seinen Gunslen en1sche1den Von Sleyr aus wurde der E,senhandel nach vorgeschriebenen Beshm• mungsonen. den sogenannlen Le9stadren. geleni..t In N1ederosterre,ch waren dies Emmersdorf und Melk. Krems-Stein unc Wien: 1n Oberos1erre1cn die Sladle Enns. Wels. Linz und Fre1sIadt Alle diese Legsladte waren Stapelplatze zweiten Ranges und absolut vom Hauptstapelplatz Steyr abhang1g Nur die ~arte der frühen E1sen– handelsplalze rund um den Erzberg 10 ;-: ~ 4.: ',(l 'r.h.~~ : O.P1&.: Z.1ct:r.-_-~: St. ;.·•n,n Burger dieser Legstcidle durften ,n Steyr Eisen e,nkaulen und es we1terver1rei– ben. D,e Bewohner aller anderen Orte waren vom unm,Helbaren Eisenhandel mit S1eyr ausgeschlossen." Durch die von Hitler forcierte Aufrüstung stiegen zwar von 1933 bis 1937 die Exportz1f1ern von Roheisen. Rohstahl und Walzware um 350%. 190¾ bzw. 155•1•. doch die Exporte der Eisenwaren stagnierten bzw. sanken prozentuell. Das Oeulsche Reich bezog Im Durchschmn der Jahre 1934-1937 zwar 25% der osterre1chischen Rohe,senexporte, doch nur 14 1 /o der Exporte an Eisenwaren. Das deutsche Kapital. das auch die Aklienmehrhe1t der Osterre1ch1sch•Alpinen Monlangesellscnart besaß. war nämlich wohl an einer Belieferung mit den hochwertigen steirischen Erzen und steirischem Roheisen und Rohstahl in1eress1ert. doch ertolgte die VerarbeIIung der Rohstotte und Halbfabnkate in den deutschen lnduslneunternehmungen. D,e ös1erreichische Eisenindustrie geriet dadurch In eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit von deulschem Großkapital und wurde in die Rolle eines Lieferanten von Rohstoffen und Halbtabr1ka1en gedrängt " Nach der Besetzung OsIerre1chs im Marz 1938 wurde die steirische Eisen- 1ndustr1e der Kr1egsrustung des Großdeutschen Reiches dienstbar gemacht. Das tUhrte zu einer gewaltigen ProduktionssIeigerung in der Eisen- und Slahllndustrie. die jedoch größtenteils den Bedurfnissen der RUstungsproduk• hon zugute kam Der drashsche Niedergang der 0sIerre1ch1schen bzw sIe1n– schen Eisen- und Stahle,cporle 1st Jedoch zahlenmäßig nicht zu fassen . Da nun der gesamte Außenhandel Uber deutsche Außenhandelslirmen abgewickelt we,den mußle. sind keine Angaben darUber erhalten. welchen Anteil d,e steirischen Produkllonsstatten am stark geschrumpllen Außenhandel m1I Eisen. Stahl und Eisenwaren hatten Im Verlaufe des Zwe11en Wellkrieges wurde schließlich die gesamle Produktion der Rustungs1ndus1rie zugeführt. und das Kriegsende bedeu1ete auch lur den Handel mI1 Eisen. Stahl und Eisenwaren das absolute Ende

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