Steyrer Tagebuch Nummer 23, November 1984

16 MEINUNG Denken Sie, lieber Leser, darüber nach, was Lesen und– Schreiben ist, und warum und wozu und ob es gefährlich --------------------------Sein kann? (Gefährlich wird's dann, wenn man die– Peter Hei nri eh COMPUTERBEWUSSTSEIN Der Computer, das leidige Thema, ja, ja, schon gut, Computer, wissen wir schon, übera l l schleichen sie sieh ein, diese Dinger, kann man nichts machen, naja, wir haben alles im Griff,... Ach wirklich? Dann über– setzen Sie bitte: "Der HP ist ein MC, ein PC, und neuerdings auch ein PPC, der uneingeschränkt auch als PC verwendet werden kann, notfalls ließe er sich auch unter die HC einordnen, ihn aber als HHC zu bezeichnen wäre wohl rei eh lieh Ubertri eben." Al so doch nicht so, - oder gehören Sie auch zu jenen , die der Meinung sind, der Computer ist vom Teufel, zerstöre die– Menschheit und man müsse ihm ausweichen? Dann sind Sie hier richtig: HISTORISCHE ENTWICKLUNG Das Ziel des Menschen war es in seiner Geschichte irrmer wieder, sich das Dasein mit Hilfe technischer Mittel zu erleichtern. Das bedeutete irrmer, daß er weniger Kraft und Zeit für die notwendige ( !) Arbeit benötigte, und noch mehr Zeit fUr sich hatte. In solchen Mußestunden entstanden die Kultur und Zivili– sation, auf die heute noch einzelne stolz sind. So schuf der Mensch das Rad...., das Auto••••, den Compu– ter. Sicherlich hat jede Erfindung ihre negativen Seiten: Mit dem Rad kann ich jemand Uberfahren, mit dem Auto ebenso ... Es kommt eben auch auf den Betrei– ber an. WISSENSCHAFT In letzter Zeit hat eine Wissenschaftsfeindlichkeit Platz gegriffen, die beängstigende Ausmaße angenommen hat. Als die Wissenschaft transparenter wurde, ver– traute man ihr a 11 e Lebensberei ehe zur Untersuchung, Erklärung und zum Ausarbeiten von Konzepten dafür an - in der Hoffnung auf jene oben erwähnte Erleichterung. Damit war die Wissenschaft na tür lieh überfordert und nun wird sie dafür, weil sie gewisse Aufgaben zurück– delegiert hat, da sie Gott sei Dank für uns unlösbar sind, bestraft, bestraft mit einer Mentalität der Maschinenstürmer. Ein Götzenschicksal. ANGST Der Computer macht uns Angst, weil ihn nur wenige bedienen können, weil er (noch) für eine kleine Schicht zugänglich ist. Das bringt sicher auch Gefahr mit sich. Der Computer ist so gefährlich wie seine Programmierer. Diese Gefährlichkeit liegt also beim Menschen!! Deshalb ist es gut und richtig, daß unsere Kinder damit spiel end umzugehen lernen. Dadurch kann in ihnen nie die Angst aufkommen, der Computer beherr– sche sie, weil sie von klein auf gelernt haben, was der Computer kann und auch ausführt. Lesen und Schrei– ben war gefährlich, als es wenigen vorbehalten blieb. Schrift dazu benützt in Pamphleten Menschen gegen irgend etwas aufzuhetzen.) KOMMUNIKATION Geht durch Lesen und Schreiben Kommunikation verloren? Im Gegenteil. Und so wird es auch beim Computer sein. Kinder wollen die Gemeinschaft (im Gegensatz zu Er– wachsenen.) Sie spielten gemeinsam mit Holzklötzen und Muschipuppen. Sie lasen gemeinsam Bücher und zeichne– ten. Daran wird auch der Computer nicht ändern. Kinder isolieren sich soviel und soweit, wie es ihnen die Eltern im vermeintlichen Schutz aufzwingen. Kinder denken nicht in Klassen - nur: wir Kinder und die Erwachsenen. Ich distanziere mich von diesen marsmännchenfressenden und ufoverschluckenden Computerspielen , nicht weil es Kriegsspiele sind, sondern weil sie in ihrer Debilität den Zerstörungstrieb wecken. Aber es gibt genügend andere Unterha l tungs-, Kommunikations- und L e r n spiele, wenn wir sie nur importieren würden oder im eigenen Land herstellen lassen wollten. IDEOLOGIE Die Schizophrenie derer, die sich als Heilsretter, da Technikfeinde sehen, liegt darin, daß es genau diesel– ben sind, die für weniger Arbeit kämpfen, um mehr Freizeit zu haben, mit der sie ohnehin nichts anzufan– gen wissen. Sie kämpfen gegen die Automatisierung, die mehr Freizeit bringt, die Arbeitserleichterung bringt. (Welcher Unsinn in der "Nicht-Arbeit-Theorie" steckt, sei hier nicht erwähnt.) Zwei Gründe sprechen aber momentan dagegen: 1. Heute ist jeder ein Fachmann, wenn er den Mund aufmacht. Und jeder , der den Mund aufmacht, glaubt einem Fachmann etwas dreinreden zu können. (Daß sich das die Fachleute nicht gefallen lassen, ist nicht präpotent, sondern normal und reiner Selbstschutz.) Glauben sie als Mann einer Fra~, die ihnen etwas über die Prostata erzählt? Glauben sie als Frau einem Mann, wenn er ihnen erzählt, wie es bei der Entbindung läuft? 2. Man kann nicht ständig alles zerfragen. Es müssen irgendwann Antworten kommen, damit endlich wieder Vertrauen entsteht (- zum Leben, zur Wissenschaft~ Gut fundierte Argumentation ist sicher notwendig und begrüßenswert, dadurch entsteht Neues. AUFGABE Fehlt uns - uns allen - der Glaube an das Jetzt, das Heute? Ist das nicht die gefährlichste Form von Welt– untergangsstimmung und niederträchtig dem Menschen gegenüber, wenn wir unsere Kinder in dieser Unsicher– heit heranwachsen lassen? Es gibt andere Probleme im Leben, und um uns, wo uns der Computer sogar behilf- 1ich sein kann, die es zu 1ösen gilt, als sich über eine mögliche Gefährlichkeit zu unterhalten. •

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