Steyrer Tagebuch Nummer 22, Oktober 1984

18 ~ ARSELECTRONICA Kar 1 Pragerst.orfer Ein Zustandsbericht Mit jeder Neuauflage der ars e l ectroni ca wird diese mehr und mehr zu einer Schau des Entwicklungsstands im Einsa tz der Elektronik in der Kunst. Dieser Teil der ars electronica wird vom Veranstalter durch die Ver– gabe von Auftragswerken bewußt gefördert. Ich habe es auf mich genommen vier große Ereignisse zu sehen un~ zu verg l eichen. I ch möchte mich allerdings einer abso - 1uten Wertung enthalten, wei l i eh kein Maßband für Kunst besitze. Mein Kriterium ist lediglich , das was in der Vorankü nd igung versprochen wurde mit der Auf– führung selbst ins Verhältnis zu setzen. "Das Universum" (Isao Tomita) . Hier hat sich einer , der nur mit Superlativen angekündigt wurde in den Fallstricken der Gigantomanie verfangen. Der Donaupark als Erl ebni sraum für Zehntausende. Das Ereignis für Auge und Ohr im dreidimensionalen Raum. Die Geschichte des Universums auf einige Quadratkilometer Donaupark verdichtet und für 10 Mio öS inszeniert. Bei dieser Erwartungsweckung kann kaum ein Überraschungserfolg gelingen. Ich will nicht gehässig sein. Es ist unheim– lich schwer in einem freien Raum mit diesen Dimensio– nen ein Erlebnis mit der Dynamik der fntstehung des Universums zu erzeugen. Die Musik wurde im wahrsten Sinne des Wortes vom Abendwind verweht. Die Akustik ist in allen Ecken und Höhen des Donauparks total unterschiedlich. Die großen Lichtwände (ca. 50 x 5' m) wirken auf die Dis tanz der Donaubreite wie bessere Reklamelichte~ Ein Donauschiff mit Hundert-Personen– Chor wirkt in der Strommitte wie Lohengrins Schwan am Horizon~ Die Steuerung der Laser und der Lichtwände war eher ei nfa l 1s los. Niemand wird in Staunen aus – brechen wenn zwei Laserstrahlen, etwas aufgefächert minutenlang über dem Park hin und herschwenken.· Die Auswa hl der Mu sik aus den Oh rwürmern des Klassikreper– t oirs würde ich grundsät z lich als gut bezeichnen, wenn man bedenkt daß eine breite Menschenmenge angesprochen werden soll. Die Umsetzung in Synthesizertöne war aber qualitativ den Originalen nicht immer adäquat. Hier ist besseres bekannt. Die synthetische Musik war eben– fa 11 s nicht umwerfend, wenn man etwa Vange 1i s , Jarre oder Pink Floyd als Vergleich heranzieht. Die besten Passagen sind dann auch mit den leisen Tönen geglückt. Ein Flötist oder eine Violinistin auf einem Donau– schi ff wirken auch aus der Entfernung. Hi er ist auch die Tonqualität und die Dynamik ausreichend. Es hat also durchaus sehr schöne Passagen gegeben. zusammen– gefaßt muß ich sagen, daß hier wesentlich mehr Auf– wand , Wissen , Erfahrung und künstlerische Qualität (natürlich auch Geld) zu investieren wären um tatsäch- 1i eh ein mitreißendes Spektakel zu gesta 1ten. Im Rah– men seiner Mög 1i chkeiten von Ge 1d, Gerät und Erfahrung hat Tomita sicher das Maximum herausgeholt. Es wäre besser gewesen, ein weniger gigantisches Thema zu wählen um die Erwartungen in Grenzen zu halten. "descri bi ng planes of an expandi ng hypersphere• (G l enn Branca) Das einzige Werk das präzis das erreichte was im Titel angekündigt war : ein nicht faßbares, rein mathemat i sch - phys i ka l i sches Gebi l de durch Töne ver – ständlich darzustellen. Glenn Branca ist ein maniac , ein Tüftler, er ist kein Musiker sondern hat sich zum verallgemeinerten. Tonerzeuger entwickelt. Er hat die Tonleiter feiner aufgetei 1t (128 statt 9 Stufen). Er hat Musikinstrumente (Gitarren und Pianos vor al lern) so adaptier.t , daß diese feinen Tonabstufungen spielbar werden. Er setzt Gruppen von Gitarren so ein, daß das Gehirn vermeint Töne zu hören , die gar nicht gespielt werden. Vor al lern spielt er laut und gleichförmig. Das Publikum wird in den akustischen Schwitzkasten ge– steckt. Es gibt keine Chance für selbständiges Denken neben dem Zuhören. Wer nicht davonläuft wird von der Tonkulisse völ 1ig vereinnahmt und synchron gehalten. Glenn Branca

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2