Steyrer Tagebuch Nummer 22, Oktober 1984

Es ist nichts ungewöhnliches, daß frau ein Buch ~chreibt. Das passiert heutzutage öfters. Es ist auch nicht ungewöhnlich , daß frau ein Buch über sich selbst schreibt. Wer wüßte schon ein besseres Thema als sich selbst? Wenn das Buch a ber ein Bericht über. eine (nicht erwiderte) Liebe ist - noch dazu zu einem Mär– chenprinzen - deren Ablauf eine Frau von 24 Jahren zusammen mit a 11 ihren Wünschen , Sehnsüchten, Gedan – ken, ihrer Vergangenheit und Entwicklung nieder – schreibt. Niederschreibt in der Offenheit, wie frau sonst - wenn überhaupt - mit einer intimen Freundin spricht . Die Frau - Svende Merian - hat ohne sich hinter einem Pseudonym zu verstecken ihr innerstes Denken und Fühlen in dreihundert Seiten verpackt. Das Ergebnis bildet einen Tatsachenbericht, der außerdem Leser in keiner Weise durch Form oder Inhalt entgegen– kommt (Sv ende Meri an , Der Tod des Märchenprinzen , rororo TB 5149, bisherige Auflage 300.000). Damit ist aber nur die Hälfte gesagt. Der so ergebnis– los geliebte Märchenprinz hat sich ebenfalls hinge– se tzt und höchstderoselbst seine Version der Geschich– te erzählt (Arne Piewitz, Ich war der Märchenprinz , Buntbuch - Verlag). Ein Buch, das mittlerweile eben– fall s eine Auflage von 100.000 Exemplaren er_reicht hat. Wer beide Bücher liest, kann also die Entwicklung der Beziehung in allen Details aus der Sicht beider beobachten und dabei quasi ihre Gedanken lesen. Was sich be ide in ihrer Beziehung selbst nicht direkt sagten aber nachher dem Papier anvertrauten ist hier aus bei der Sicht lesbar. 17 Zum Inhalt: Es beginnt mit einem Inserat in einer Hamburger Szene - Zeitung. "Linke Frau , 24 , möchte gerne unmänn liehe Männer, gerne j Unger , kennen 1ernen." Unter den 16 Zuschriften ist auch eine mit einem Gedicht. Das spricht sie an. Sie ruft den Verfasser am nächsten Tag an und trifft sich zum Spaziergang mit ihm. Sie verliebt sich in ihn , ganz schnell , obwohl ihr das noch nie passiert ist. In einem Gedicht hat sie über den Märchenprinz geschrieben - hier steht er nun _ vor ihr. Seine Augen, sein Läche l n, seine Zärt- 1 ichkeit hauen sie um. Leider sieht Arne die Sache etwas anders. Er, der Aktivist in der autonomen Szene, ein Gewicht im Anti- AKW- Kampf, hat nur wenig Zeit für Beziehungen. Er hat daher auch keine besonderen Märchenpri nzessi nen im Kopf. Sein Geschäft ist die pflegeleichte Beziehung mit häufigem Partnerwechsel, austauschfreudig und verpfl ichtungsarm. Seine beson– dere "Waffe" ist die Zärtlichkeit. Schmusen statt rarrrneln , schließlich ist mann ja kein Spießer. Alles weitere steht in seinen selbstverfassten Akten. Mehr will ich darüber nicht verraten. Auch nicht über fra u und i Irre Seite der Geschichte. We 1chen Lauf die Gechichte im weiteren nimmt kann jeder selbst nachle– sen. Weder Sv ende noch Arne sind aussergewöhn 1 i ehe Me nschen, daher sind auch diese Bücher ein Voll tref– fer. Frau (und Mann !) mit dem Bemühen um Verständnis für den Blickwinkel des anderen Geschlechts haben hier erstmals einen exemplarischen Bericht. Keine Dallas - Story ! Geht daher echt unter die Haut. k~ Geschichten vom Märchenprinzen

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