Steyrer Tagebuch Nummer 21, Juni 1984

8 Rauchfangkehrer in Linz reserviert. Um eine Wohnung hat er sich auch schon umge– schaut gehabt. Der Kampf Am 11. Februar bin ich mit ihm noch auf die Bahn gegangen, da hat er schon gewußt, daß es krachert wird. "B 1 ei bts die näch– sten Tag daham, wei 1 es wird was gebn." "Was wirds gebn, Vata?" "Des kann i dir jetzt net sogn. Paßts aufd Mutta auf, daß nix gschiacht, ind nextn tog wirds ziem– lich lebhaft werdn." Ich hab als Bub noch kein Verständnis gehabt. Am Montag hat mich meine Mutter geschickt, die Schwester von der Hauptschule abholen. Wir sind schon beim steilen Abfal 1 ins Kraxental beschossen worden, ungefähr vom Fuxengütl da oben, es ist anzunehmen, daß sie mit Absicht drübergeschossen haben. Tod des Vaters Wir haben dann die Nachricht bekommen, daß der Vater am Mittwoch durch einen Bauch– schuß ums Leben gekommen ist. Er ist am Dienstag am Kampf in der Bethlehemstrasse beteiligt gewesen, hat einen Bauchschuß von hinten bekommen und die Heimwehr hat zwei Stunden keine Rettung und keinen Sanitäter hingelassen. Dann haben sie ihn ins Spital gebracht. Er ist aber am Mitt– woch, den 14. Februar, am Brand gestorben. Das Begräbnis, also die Feuerbestattung, war in Steyr. Es haben nur sechs Leute hingehen dürfen: meine Mutter, meine Schwester und ich, meine Tante, der Groß– vater und der Schwager. Mein Bruder ist auf der Ennsleite verhaftet worden, er war damals 19 1/2 Jahre, und in Garsten einge– sperrt worden. Mit Bajonett-auf ist die Heimwehr rund um den Urnenhain gestanden und hat jedem den Zutritt verwehrt außer uns sechs. Suche nach einem Lehrplatz Meine Schwester und ich sind dann mit Kinderland in die Schweiz verschickt wor– den. Bis in den August hinein war ich in Zürich. Dann geht meine Mutter mit mir zum damaligen Personalchef Wünsch in die Stey rwerke. Er war im l. We 1 tkrieg Haupt– mann beim Mi 1 i tär und auch eine führende Persönlichkeit bei der Heimwehr in Steyr. Davon hatten wir keine Ahnung. Meine Mut– ter fragt wegen einem Lehrplatz in den Steyrwerken - das war der Inbegriff der sozialen Sicherheit und Geborgenheit, das war verbunden mit Einkommen, Sicherheit, Beschäftigung. "Jaja, wir brauchen junge Leute, das wird in Ordnung gehen.Aber warum tragen Sie Trauer ?" "Mein Mann ist bei den Kämpfen im Februar ums Leben ge– kommen." Ein aufrechter Kämpfer für die Heimwehr, fürs Volk! oder so ähnlich, bat er gesagt. "Naja, er war Schutzbündler•••" ''Was, sie rotes Gesindel, schauen sie, daß sie hinauskommen !" Und hat uns beide rausgeschmissen. Aus wars mit dem Lehr– platz. Zum G1ück hat sich dann ergeben, daß der evangelische Pfarrer Fleischmann, er war eingeschriebenes Mitglied der Sozialdemo– kratischen Partei, es durch sein Betreiben bei einem der einflußreichsten Männer der Steyrwerke, dem Prokuristen Runkl, der auch bei der Amateure ein hoher Funktionär war und bei der evange 1 ischen Kirche ein höherer Mann, mich ein halbes Jahr später doch in die Steyrwerke gebracht hat. Heute im Rückblick ist das eigenartig. Die Lebensumstände Wir haben eine 3-Raum-Wohnung gehabt: Zimmer, Kuchl, Kabinett. Das Leben hat sich in der Kuchl abgespielt, im Kabinett haben wir drei Kinder geschlafen, da hat kein Kasten mehr Platz gehabt. Die Mutter hat dann mit Ach und Krach eine Unfallren– te bekommen, um 240 Schilling herum im Monat. Das hat damals etwa einem Wochen– lohn entsprochen. Der Bruder war arbeits– los. Ober Befürwortung hat die Mutter dann einen Arbeitsplatz in der Radlfabrik im Wehrgraben gekriegt, eine völlig unge– wohnte, hakelige Arbeit, bei den Speichen, bei ihren Jingern ist fast das rohe Fleisch herausgekommen. Aufd Nacht hat sie sie in Kamillenbädern baden müssen. Die Fingernägel waren ganz abgestoßen. Sie hat jeden Abend geweint. Nach drei Jahren hat sie's nimmer ausgehalten. Mein Bruder hat später Arbeit als Elektriker in den Steyr– werken gekriegt. Er hatte ein ' Schlafgeher– zimmer, ein Mansardenzimmer 1 in einem Siedlungshäuser!. Da haben wir am Abend Nudeln gekocht und mit Tomatenmark geges– sen. Ich hab a 1 s Lehrbub im l. Lehrjahr 4 Schil-ling pro Woche verdient und die ganze Lehrzeit meiner Mutter die Hälfte gegeben. Das höchste waren 14 Schilling im letzten Halbjahr, da hat die Mutter 7

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