Steyrer Tagebuch Nummer 21, Juni 1984
10 befreundet war und dieses Freundschafts– verhältnis sich so niedergeschlagen hat, daß die a 11 es erfahren haben, was im Be– trieb gesagt wurde. Das hat Mißstimmung erzeugt. Es hat sich herausgestel 1 t, daß 70 % aller Angestel 1ten nur den Kollektiv– vertragsgehalt bekommen haben, das ist heute unvorstellbar. Auch das hat zum Aufruhr geführt. Die anderen Kandidaten haben unter dem Vorwand, was ihnen körperlich fehlt, sich dann davon geputzt . Sie haben Angst vor der Direktion gehabt. Es war üb 1 ich , daß sich der Betriebsrat vorstellt und dem Vorstand gegenüber seine Vorstellungen von seiner Arbeit erklärt. Da war einmal ein Obmann, der hat sich ein bißl ungeschickt ausgedrückt. Er hat gesagt: "Herr General– direktor, es ist eine Schweinerei, wie die Angestellten bei Steyr bezahlt werden im Vergleich zu den anderen." "Was sagen Sie, Schwe:i,nerei ? was erlauben Sie sich." Und er hat ihn zusammengebrüllt und die Be– triebsräte sind dagestanden mit schlot– ternden Hosen und haben sich das bieten lassen. Ich hab dann gesagt, ich mac~'s zwei Jahre als Ubergang, wenn alle mitge– hen und keiner umfällt . Der erste Streit Es ist dann wirklich so gekommen . Ich hab ein 10-Punkte-Programm ausgearbeitet, das ist vom Betriebsrat beschlossen worden. Der Prokurist Novak hat mich geholt: ''Das ist doch unmöglich, was in ihrem Programm••• , um Gottes Willen, wenn der Generaldirektor da rot wird aus dem Hemd heraus, dann müssen sie sich auf einen Ausbruch gefaßt machen." "Herr Prokurist, sagen Sie ihm bitte gleich folgendes: ich stell ihn mir geistig vor, wie ich meinen Vater öfter gesehen hab, altersmäßig paßts auch, mit einer weißen Unterhpse und zu– bundenen Bande 1n unten, damit wird er so vermensch 1 icht, daß er genausoeiner ist wie wir. Und zum Zweiten sagen Sie dem Herrn Generaldirektor, er wäre gut bera– ten, wenn er mich nicht anschreit. Dann kann ihm nämlich passieren, daß er vor seinen Vorstandskollegen und vor den übri– gen Mitarbeitern von mir noch lauter ange– brül 1 t wird. Wenn Sie ihm das sagen, er– weisen Sie ihm einen guten Dienst." Es ist nachher genauso gekommen, er ist rot gewor-den im Gesicht, zornig, aber er hats ruotergeschluckt. Der erste Streit ist der beste. In die ~emeindepolitik Von da weg bio ich durch die Gewerkschaft in viele Seminare gekommen. Da hab ich gescheite Leute kennengelernt, wie den Hil legeist, den ich für den wahren Schöpfer des ASVG halte, und den heutigen Generaldirektor der Nationalbank Kienzl, der wirklich gescheite Aussagenüberwirt– schaftliche zusammenhänge gebracht hat. So hab ich mir im Laufe der Zeit verschie– denes zusammengeklaubt. Ich wurde dann als Betriebsratsobmann automatisch Obmann– Stellvertreter der Gewerkschaft und dann auch bei der Gebietskrankenkasse. Durch diese Funktionen bin ich natürlich auch mehr ins Blickfeld der Partei gerückt worden. Ich kam dann im 65er Jahr in den Gemeinderat und 1968, als Schmidl über– raschend AK-Präsident von Oberösterreich wurde und der damalige Vizebürgermeister Professor Radinger statt ihm in den Natio– nalrat entsendet wurde, bin ich bei der Wahl des Vizebürgermeisters nachgerückt. Daß es ohne eigenes Zutun so gekommen ist, möcht ich nicht sagen. Es war eigen t 1 ich immer so, daß die Steyrwerke in der poli– tischen Landschaft von Steyr eine große Ro 11 e gespie 1 t haben. Außer den kommis– sarisch bestellten Bürgermeistern während des Krieges sind alle aus den Steyrwerken gekommen, von Sichlrader, eigentlich von Wokral weg. Es war nie der Traum da, Bür– germeister zu werden, aber eine Stadtrats– funktion hat mir sicher damals, als ich Betriebsratsobmann war, vorgeschwebt. Ein „Radlsführer" Da hat mir neulich einer von den Leuten, mit denen ich in der Jugend beieinander war, gesagt: "Als Bua schon, da warst du unser Radlsführe~~ Das hat sich irgendwie so ergeben, und beim Sport wars auch ir– gendwie so. Aber es war nicht so, daß ich mich selber zu einer Führungsrolle ge– drängt habe. Vielleicht war es das, daß ich immer eine re·lativ klare Vorstellung gehabt habe von dem, was ich tun will. Aber daß ich ersucht hab: gebts mir eine Führungsrolle, das war sicher nicht der Fall. Aber wenn ichs genommen hab, dann bestimmt mit der Absicht, etwas zu errei– chen, das net nur so dahinrennen zu 1 as– sen, sonst ist es ja uninteressant. e
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