Steyrer Tagebuch Nummer 20, Mai 1984

TB: Wieviele lesen Uberhaupt Zeitung? Ra■oser: Die Auflagen kann ich nicht sagen, eine Zei– tung ist aber auch eher ein Luxusartikel. Am Land lesen viel leicht der Lehrer, der Arzt und die pol iti– schen Funktionäre. Man darf auch nicht vergessen, daß vor 5 Jahren noch 84% Analfabeten in Nicaragua waren. Das ist eines der Plus dieser Regierung : seither konn– ten sie die Analfabetenrate auf 16% senken, jedenfalls was Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben betrifft. Unter Somoza war es so, wie heute noch in El Salvador oder Guatemala, daß die Leute mit einem Fingerabdruck unterschreiben mußten. Die meisten Zeitungen werden im Strassenverkauf von Buben vertrieben, wie in Latein– ameri ka Ub l i eh. NACH AFRICA PALMA Ra■oser: Von San Miguelito am Nicaraguasee sind wir nach San Carlos und dann auf dem Rio San Juan, dem Grenzfluß zu Costa Rica, bis El Castil lo, der letzten befestigten Anlage der Sadinisten. Danach kommen Stromschne l l en und unwegsames Dschungel gebiet. Dort haben die Contras die Möglichkeit, ins Land einzudrin– gen. Wir sind dann weiter auf einem kleinen Nebenfluß nach Africa Pa lma. Dort wird ein Projekt aufgebaut, das Nicaraguas teure Importe von Speiseöl durch Eigen– produktion hinfäl 1 ig machen soll. Das Projekt ist momentan im Anlaufen. Es sind ungefähr 400 Leute mit dem Bau von UnterkUnften und in der Baumschule für die afrikanische Ölpalmen beschäftigt. Es soll auch eine Raffinerie gebaut werden, daß nach dem Bau einer Strasse gleich das fertige 01 abtransportiert werden kann. Dann kann auch das Holz des Urwa l ds wi rtscha ft- lieh genutzt werden. Wir haben in Afri ca Pa l ma begon– nen, einen Landesteg zu vergrößern, ein Kommun i ka– ti onszentrum fUr ca. 300 Leute und kleine Lagerhütten zu bauen. TB: Habt ihr den Eindruck gehabt, daß ihr gebraucht werdet? Ra■oser: Ich glaub ni cht, daß wir als Arbeiter wirk– lich gebraucht wurden, sondern eher um zu ze igen, daß es Europäer gibt, die sich mit ihrem Land solidarisch erklären. UNVERSTÄNDLICH 7 Es ist auch unheimlich schwer, den Nicara guanern zu erklären, daß wir hinüber kommen und für sie arbei ten, ohne einen Groschen zu kriege~ Das haben die wenig– sten begriffen. Und daß wir mit einem Gewand kommen und arbeiten, uns dreckig machen, das sie eher zum Fortgehen genommen hätten. Sie haben uns als Millio– näre angesehen, weil wir das a11 es machen konnten. TB: Wie habt ihr euch unterhalten? Ra110ser: Bei uns haben 8 Leute spanisch gesprochen, die haben übersetz~ TB: Wie war das Leben? Ra■oser: In Africa Palma sind wir stark körpPrli ch drangekommen, wir haben fast über uns ere Verhä ltn i \. <,, gearbeitet, das tropische Klima, viel Ungezi ef 1, Moskitos, der Schlamm und Dreck. Die Umstellung df:s Körpers hat nicht so schnell funktionieren können. l c m4ß sagen, daß ich nur 60% von dem leisten konnte , was ein Nicaraguaner geleistet hat. (Fo r tse tzung im nächsten Tagebuch)

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