Steyrer Tagebuch Nummer 19, April 1984

8 Portrait: Franz Weiß - 2. Teil Leistung Der Begriff 'Leistung' spielt eine zentrale Rolle in Franz Weiss Weltanschauung. Das wird aus seiner Lebensge– schichte auch verständlich. Vielleicht wäre es viel ver– langt, aber es hätte eine Reihe von Konflikten - und auch einige der ganz aktuel– len - viel fruchtbarer aus– getragen werden können, wenn die Generation, die er ver– körpert, mit mehr Verständ– nisbereitschaft auf die Lei– stungsverwe'igerung vieler Jugendlicher reagiert hätte. Denn auch diese Verweigerung hat bis in ihre Auswüchse verstehbare Gründe. "Der Philosoph Friedrich Nitzsche prägte einen kurzen, aber auch für unser ga-rein– sarres leben sehr treffenden satz: 'Jeden das Seine geben - das wäre die Gerechtigkeit wollen und das Chaos errei– chen. ' Für uns, die wir ein 'leben lang arbeiten, ist es daher geradezu eine Heraus– forderung, wenn eine SciMei– zer Jugendzeitschrift das Idealziel der jungen 11-tmschen im ewigen Urlaub, in der Ar– beitslosigkeit für alle, im schwarzfahren sieht und das Stempeln für sclY:in 8'1l)findet. Der Begriff 'Leistung' oder 'Arbeit' scheint im Vokabu- lar Gleichgesinnter nicht rrehr auf . Es müßte also alles von selbst kcmnen und die Freizeit grenzenlos sein, auch wenn der Nachbar darunter leidet oder andere zur persönlichen Erhaltung heran;iezogen werden. Zum Glück sind solche Vorstellun– gen auf kleine minderheiten beschränkt • . . Ces Wort 'Leistung' wird we– der in Gewerkschaftskreisen vermieden noch bei der Ar– beitgeberschaft . Wir werden uns also weiter mit den Be– griff Leistung auseinanderzu– setzen haben, jetzt noch rrehr vielleicht als bisher und nicht un ständig Neues zu be– gehren, sondern um das Er– reichte zu halten . " (Neuj ahrSE!5ll)fan;J 1982) Aus rreiner eigenen Jugendzeit. sind mir diese Entwicklungen nicht frerrrl, so daß ich auch imrer wieder als Mahner auf– trete, sich darauf zu besin– nen, daß es kein verbrieftes Recht ist, imrer gut zu ver– dienen, sich alles leisten zu können, ohne dafür auch die Kraft der eigenen Leistung , einzusetzen• •• • Die Leistungsbereitschaft ist nicht nur ein gewerkschaft– lich anerkanntes Prinzip einer guten Wirtschaftsent– wicklung, sondern eine ganz wichtige Voraussetzung der eigenen Entfaltungsrröglich– keiten. " (.llmtsbl. 11/82, S 3) Meine Lebenserfahrungen, die mit der Schlosserlehre be– ginnen und sehr bittere Ju– gensjahre beinhalten, haben mich gelehrt, daß rran sich nicht nur auf andere oder auf den Staat verlassen soll und kann, sondern daß nan in erster Linie selbst bereit sein muß, die bestehenden 1'6glichkeiten zu suchen und Chancen zu nützen." (J\mtSbl. 12/83, S 3) "Den heutigen Stand unserer städtischen Einrichtungen zu erreichen, war nur durch grcr ßen finanziellen Aufwand und durch persönliche Anstrengun– gen und Bemühungen nöglich. Die Wirtschaft hat uns dabei kräftigst unterstützt. Ihr Fl.orieren sichert die Ar– beitsplätze, schafft gute Verdienste, wanit ein relati– ver Wohlstand wachsen konnte. Dieser Zustand kam nicht von ungefähr, sondern hat seinen Ursprung auch im Fleiß der Bevölkerung und im Wissen der , Steyrer, daß für sie alles geschieht was nöglich ist und Sinn hat. Mit Phrasen und . Scronfärberei wäre das nicht zu erreichen gewesen. " (Neujahrs8'1l)fan;i 1982) Wrrtschaft Wirtschaftliche Fragen spie– len in der Gemeindepolitik eine hervorragende Rolle, besonders auch in den vergan– genen Jahren . Der langjährige sozialistische Gewerkschafter Weiss ist in:aner von der Mög– lichkeit grundsätzlich ge– meinsamer Interessen von Ar– beitnehmern, Gemeindebürgern und Unternehmern ausgegangen. Er hat auch die Politik der Bundes-SPÖ mit ihrer Bevor– zugung der Ansiedlung von Großprojekten mitgetragen, besonders wenn Steyr als Standort auserkoren wurde . "Es war daher seit längerer Zeit ein Bestreben der Stadt– verwaltung, mitzuhelfen, wenn sich Betriebe einer anderen Fachrichtung hier ansiedel.n wollten oder ihre Betriebs– stätten auszubauen beabsich– tigten. Hier kann ich die Un– terstützung bei der Ansied– lung von Großkaufhäusern zi– tieren, •.. Die Stadt hat bei derlei Ge– legenheitensowohl baurecht– lich als auch bei der Grund– beschaffung und mit finanzi- ,ellen Förderungen nie ge– part, im Wissen, daß jede po-– sitive Entwicklung das Image der Stadt hebt und der Kauf– kraft der Bevölkerung zusätz– liche Irrpulse verliehen wer– den." (NeujahrSE!5'1l)fan;J 1983) Als Politiker hat Weiss die fördernde Einflußnahme öf– fentlicher Stellen auf die Wirtschaft unterstützt und auch manches andere Interesse hinter 'wirtschaftliche Er– fordernisse' gereiht. Das Argument 'Arbeit~platz' spielte dabei mit den wach– senden Problemen auf dem Ar– beitsmarkt eine zunehmende Rolle. "Die Stadt fungiert gerade in der Jetztzeit sehr oft als Auftraggeber, insbesondere in der Bauwirtschaft und im Bau– nebengewerbe, und erfüllt da– mit eine sehr wichtige wirt– schaftliche und beschäfti– gungspolitische Funktion. • . . Es dürfen keine Mittel ge– scheut werden, die einer zu– sätzlichen Bildung von Ar– beitsplätzen dienen, oder an– dererseits die Erhaltung be– stehender Arbeitsplätze si– chern. " (Amtsbl. 12/82, S 3) Wir haben zu wenig und nur sehr teure Energie zur Ver– fügung und wir haben anderer– seits imrer rrehr Widerstand bei der Errichtung von Ener– gieerzeugungsstätten, Kern– kraftwerken, E-Werksbauten .und Kohlekraftwerken. Gleich-- zeitig ist aber kein Trend sichtbar, daß etwa ein Ver– zicht auf den WOhlstandskon– sum angenamien wurde • • •• • . • wir sind Auftraggeber für die Wirtschaft, wir sind Ani– natoren für unternehrerische Entscheidungen und mit unse– ren Bemühungen geben wir Dienstleistungsbereich, Ge– werbe und Industrie wichtige IJTpulse . " (Bud;1etdebatte 82) "Die enonre Verkehrsbelastung wird noch verstärkt durch die Entwicklung der Stadt zu ei– nen Geschäfts- und Handelszen trum.•• Bei der beschäftigungspoliti– schen Bedeutung derSteyrer Betriebe für Unland- und Ein– pendlergerreinden scheint es daher unverständlich, daß es Kreise gibt, die gegen dieses Strassenprojekt öffentlich auftreten . Schließlich müssen hier Gesamtinteressen vor Ein zelinteressen stehen, so sehr natürlich auch den privat Be– trof.fenen das Recht auf Mei– nungsäUßerung und auf Ersatz verlorengegangener Grundflä– chen zugestanden werden muß . " (Neujahrs8'1l)fan;J 1982) BMW Eine der bedeutendsten wirt– schaftlichen Entscheidungen , der letzten lo Jahre war si– cher die Errichtung des BMW– Motorenwerks. Dabei wurde das Zusammenwirken zwischen Ar– beiterbewegung und Großindu– strie besonders eindrucksvoll demonstriert, woran sich si– cher die Hoffnungen vieler Arbeitnehmer knüpfen. "Wir haben getan, was wir im Interesse der Stadt zu lei- sten vernochten, unsere Mit– tel und Grenzen sind nunrehr erscropft . " (19.2.81. Bericht an den Gen.rat über das EM'i-Steyr-M::ltoi;enwerk, Amts– blatt 3/81, S 4) "Der Vollausbau der BM-1- Steyr-M::ltorenfabrik wird nicht nur das Arbeitsplatz– angebot errohen, sondern auch die Pendlerzahl. Sind es gegenwärtig rund 8500 Arbei tnehner, die täglich zur Arbeit nach Steyr fah– ren, wird diese Zahl in 5 Jahren auf über lo.ooo ge– schätzt . Die LohnsUTrnenSteuer dage– gen stieg von 19 auf 56 Mio. s, was nicht zuletzt auf gute betriebswirtschaft– liche Erfolge, im Besonderen jedoch auf eine erfolgreiche gewerkschaftliche und lohn– politische Entwicklung zu– rückzuführen sein dürfte.'' (Ernpfan;i für leitende Per– sönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft der Stadt und die Bürgermeister der Unland:Ja-reinden anläßlich des Jahreswechsels 1980/81, J\mtsblatt 2/81, s 10) "Die Zeit wird jedoch die Be– stätigung für die Richtigkeit des Vorgehens beweisen, zunal die Erinnerungen an die Not– zeiten der Stadt Steyr alle diese Förderungsleistungen in vollen Maße rechtfertigen. " (I.aooatio für Assessor I:o,E>– pelield (BM-1), 18.11 . 81) BMW-Gesinnung Die auch gefühlsbetonte Be– deutung,die BMW für Steyr er– langt hat, drückt das folgen– de Zitat aus: "Ich freue mich schließlich auch über eines - und der gestrige Festabend mit den Bach-COllegiun im Alten Theater hat dies gezeigt - daß BM-1 auch bereit ist, sich mit ihrer BM-1-Gesinnung in das heimische Kulturleben zu integrieren und ich würde wünschen und hoffen, daß auch weiterhin der Kontakt nicht nur auf der wirtschaft– lichen Ebene, sondern auch auf dieser Ebene fortgesetzt werden kann . " (Eröffnung des BM-1-Steyr– M::ltorenwerks, lo. 3.198o) Straßen Mit dieser Vorrangstellung der Motoren- und Fahrzeugin– dustrie in der Stadt mag auch ,die Uberbetonung von Strassen für die w'irtschaftliche Ent– wicklung zusammenhängen. "Der Frerrrlenverkehr als ur– sprünglich gedachtes drittes Bein in der heimischen Wirt– schaft ist dieser Aufgabe nicht gerecht geworden. Die Gründe • • häl'XJ'en • • mit der Randlage und schlechten Er-

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