Steyrer Tagebuch Nummer 19, April 1984
die Leute wahrscheinlich wo anders unterbringen können. Und: : wo steht geschrieben, daß die Steyr-Werke nicht auch neue Produkte hätten herstellen können? Wir sind ein Wintersport– land, überall fahren diese riesigen Pistenraupen herum, keine von Steyr. TB: Wurde diese Entwicklung -- vom Eigentümer beein– flußt ? KREISKY: Der Besitzer hätte das beeinflussen können. Solang die Steyr– Werke verdient haben, sogar Geld liegen gehabt haben bei der CA, einen gigantischen Betrag, solang war ' alles bestens. Eine echte Führung eines Großbetriebes hat's vom Eigentümer her nicht ge– geben. Man hat alles verkauft, was man produziert hat und hat verdient. Aber man hat nicht daran gedacht, daß es einmal and~rs werden könnte. TB: Hat der Staat nicht zu viel den Eindruck er– weckt, wenn es Probleme gibt,ist die Regierung da, sie zu lösen? KREISKY: Nein, aber wir ha– ben natürlich geholfen, sie zu lösen, zB mit den großen Polenkrediten, die alle da– nebengegangen sind.'Das können wir nicht beurteilen, wenn der Vertrag schlecht war, den haben Fachleute ab– geschlossen. Die Manager haben die Pro– bleme zu lösen, die Regie– rung kann höchstens eine Hilfestellung einnehmen. Sie haben ja gesagt, sie lösen die Probleme selber: indem sie tausend Leute raus– schmeissen. Dabei sind ja mehr entlassen worden im Laufe der Jahre. Es gibt sonst nur die Lösung anderer Produktionen. Mit einem neuen Produkt kann man 3,4,500 Leute beschäf-tigen. Die Steyr-Werke erzeugen auch Fahrradeln, die viel zu teuer sind. Wenn eine Firma zu teure Waren erzeugt, muß sie überlegen, wie man bil– ligere erzeugt. AL, GRÜNE TB: Was halten Sie von den jungen Leuten, die mit der SPÖ jetzt nicht sehr viel anfangen können? KREISKY: Um die jungen Leute muß sich die SPÖ mehr kümmern und die jungen Leute soll'n sich einmal an– schauen, wer besser ist. Denn in der Opposition weiß es jeder besser. TB: Wär's nicht grade für -- jüngere Leute auch eine sinnvolle Erfahrung, zu sa– gen: wir fangen etwas ganz neues an ? KREISKY: Das haben sie ja in Deutschland gemacht mit den Grünen. Die Grünen sind heute de facto in einem Zerfallsprozeß, weil sie mit solchen Illusionen in die Politik gegangen sind. TB: War es nicht vor hundert Jahren ähnlich, als die Sozialdemokratie und die Christlich-Sozialen anfingen ? KREISKY: Das glaub ich nicht Die Grünen sind ja nicht Utopisten, sondern so ein Mischmasch von Umweltpo– litikern und Alternativen und extr~men politischen . Richtungen. Ihr Problem ist 7 nicht, daß sie Utopien nach– jagen, sondern daß sie so heterogen sind, daß sie überhaupt zu keiner geschlos senen Politik geeignet sind. Sie lernen aber dazu, zB in Hessen. TB: Liegt das nicht auch an -- dem gesellschaftlichen Zustand, daß die heutigen Fragen viel komplizierter sind als vor hundert Jahren? KREISKY: Die Politik ist un- vergleichlich kom– plizierter geworden. Die In– dustriegesellschaft als sol– che ist ja schon in Abwick– lung begriffen. Es ist eine Servicegesellschaft, in die wir kommen. Daher spielt auch die Arbeitszeitfrage eine große Rolle .. aber die Arbeitszeitverkürzung muß jemand bezahlen. Das wird nicht eine Seite der Sozialpartner allein bezahlen, so wie das in Österreich ist, wird geteilt. Regieren muß i nimmer TB: Eine allerletzte Frage : wie fühlen Sie sich 8 Monate nach Ubergabe der Regierung? KREISKY: Gut. Jetzt mach ich et– was, was mir viel Freude macht: ich halte viele Vor– träge, bin zB gestern aus Oslo zurückgekommen, wo ich vor Studenten gesprochen habe. Die Aula war bis unter das Dach voll. Ich spüre, daß ich Antworten geben kann auf Fragen, die junge Leute heute haben, aber auch äl– tere. Vielleicht ist das so– gar die ideale Aufgabe für jemand, der lange Zeit in der Politik war. Also ich bin ausgelastet und immer noch unter Gedränge, mit Vorträge ausarbeiten, Artikel schreiben ... Regieren muß ich nimmer, das ist schon sehr viel wert TB: Dann können wir uns nur noch bedanken.
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