Steyrer Tagebuch Nummer 19, April 1984

3 Leser -schreiben: -~------------____,:__---,--.____,;,.:....,.__:_..:,____ Kritische Anmerkungen zur Rolle der Gewerkschaften bei der Bewältigung der auf uns zukommenden gesellschaftlichen Probleme Ohne zweifel ist, es in erster Linie den Ge– werkschaften zu verdanken, wenn heute die Ar– beitnehner einen relativ hohen Anteil an der sozialen Wertschöpfung erhalten und ein im Verhä.ltnis zu vielen anderen Ländern hoher allgemeiner Lebensstandard erreicht worden ist . Ihre Strategie der Vertretung der Ar– ~tnermerinteressen hat sich in einer lar:qen Pericxle des Wirtschaftswachstums entwickelt und bewährt. Nun aber ist die industrielle Gesellschaft in eine Krise geraten, die von Stagnation des Wachstums, Verstärkung der Konkurrenz am Weltrna..rkt durch Billiglohnländer, von wach– senden Arbeitslosenheeren und von zunehnenden Unweltproblernen gekennzeichnet ist . Es ent– steht neues soziales Elend inmitten der "rei– chen" Länder, es gibt den überflüssigen Men– schen, der nicht gebraucht, nicht beteiligt wird und bestenfalls das soziale Gnadenbrot erhält. Es müssen M:)glichkeiten gefunden werden, die– se Ausgestoßenen (cxler gar nicht erst AncJe– ncmnenen) in den Erwerbsprozeß zu integrieren , sie an der Wertschöpfung zu beteiligen. Ge– schieht das nicht, dann ist eine politische Radikalisierung zu erwarten - wie so etwas weitergehen kann, haben uns die Gedenkveran– staltungen anläßlich des Februar 1934 ins Ge– aä.chtnis gerufen. Die Gewerkschaft versucht, mit der Forderung nach Einführung der 35-Stundenwoche diesem Problem beizukamen, besteht aber auf vollem Lohnausgleich. Dies aber würde zwangsläufig zu einer weiteren Erhöhung der in Österreich ohnehin schon hohen Lohnkosten führen und unsere Konkurrenzfähigkeit auf den Weltrna..rkt weiter schwächen . Auch die imrer weitere He– rabsetzung des Pensionsalters ist keine echte Lösung; sie macht zwar Arbeitsplätze frei, belastet aber die Arbeitenden mit imner hö– heren Kosten für die Pensionisten und führt letztlich zu einem Abbau der Altersversorgung Nur zaghaft hört man vereinzelt das Wort"~ lidaritätsopfer" . Auch in der Gewerkschaft scheint niemand den Mut zu haben, das lbgma von den imnerwährend steigenden Einkamien an– zug-reifen und die noch im Genuß ihres Einkan– mens stehenden Genossen aufzurufen zu einen q:>fer für die draußen stehenden Kollegen. Iarin aber liegt die einzig ehrliche Chance, das Problem der Arbeitslosigkeit zu bewälti– gen, alles andere ist VQCJel-Strauß-Politik und br~ngt bestenfalls kleine Teilerfolge . Die Folgerung ist leider unpopulär : Wir müs– sen uns damit abfinden, daß der Kuchen, so wie er nun einmal ist, wieder auf alle auf– geteilt werden muß . Nur wenn die Gesamtkosten für die rrensch– liche Arbeitsleistung eines Betriebes cxler der gesamten Volkswirtschaft bei Verkürzung der Arbeitszeit und Einstellung von zusätz– lichen Arbeitskrcl:ten unverändert bleiben, wird sich die Kostensituation und Konkur– renzfähigkeit nicht verschlechtern . Il3.s häufig gebrachte Argurrent des Kaufkraft– schwundes als Folge der: Lohnverminderung ist ein Scheinar~t, da die Arbeitslosen- .und Notstandsgelder letztlich auch von den Arbeitenden aufgebracht werden müssen. Geht man davon aus, daß die Surrme aller ge– genwärtigen Einkamen plus Arbeitslosen– und Notstandsgelder auf alle aufgeteilt würde, würde bei einer aufzufangenden Ar– beitslosenrate von 6 % der Durchschnitt– liche EinkaITTienSverlust bei ca . 4-5 % lie– gen (bei höheren Einkamen höher aus Grün– den ausgleichender Gerechtigkeit). Im Namen einer echten Solidarität ist es nicht länger vertretbar, zu warte1+, ob vielleicht doch wirtschaftsfördernde Maß– nahnen neue Arbeitsplätze schaffen. Natürlich soll alles getan werden, um die Wirtschaft zu beleben, dann können die Ein– kcmnen wieder steigen. r::es Motto "auf einmal erkärrpfte Rechte kann nicht rrehr verzichtet werden 11 darf sicher gelten für den Anteil der Arbeitnehner an der Gesamtwertschöpfung, aber in Bezug auf die Verteilung muß diese kurzsichtige und gruppenegoistische Einstellung überwunden werden. Leider ha.t gerade auf diesen Gebiet der Gewerkscha.ftsbund versagt. Wie wäre es sonst denkbar, daß zB die D...lrchschnittsein– kamen in der Mineralöl- und E-Wirtschaft um soviel oo~r sind als im Durchschnitt der österreichischen Industrie und daß selbst in der mit rorrenden Verlustenar– beitenden Verstaatli chten noch inner über- durchschnittlich bezahlt wird 7 -

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