Steyrer Tagebuch Nummer 19, April 1984
20 Milch statt Wein Sieben Mitglieder der Einkaufsgemein– schaft Steyr unterbreiteten am 3 . Feb– ruar Landwirtschaftsminister Haiden ihre Wünsche zu den laufenden Markt– verordungsverhandlungen. "Rohmilch muß für jeden Österreicher legal er– hältlich sein" lautete der Titel eines Forderungskataloges , der dem Minister vorgelegt wurde . Die derzeit gültigen Marktordnungsgesetze bzw . deren Auslegung sind ein Hemm- schuh für Privatinitiativen . Während jeder jederzeit eine 'Genehmigung für den Ab - Hof- Verkauf von Rohmilch bekommt , wird der organisierte Verkauf (z . B. in der BERSTA in Wien oder in der Einkaufs– gemeinschaft Steyr) nicht gestattet. Es ~önnte ja , so wird von der Milchind– dustrie argumentiert , das komplizierte Marktsystem aus den Fugen geraten . Eine reine Schutzbehauptung , denn in Wirklichkeit fürchten die Molkereien , um ihr mühsam aufgebautes Monopol . Der Rohmilchverkauf ist indes für viele ein Vorteil: Konsumenten können unbe– handelte , an Nährstoffen reiche Milch trinken, die Lieferanten erhalten ein höheres Milchgeld , der Rohmilchkonsum treibt dem Inlandsabsatz in die Höhe , was über eine höhere Gasamtrichtmenge allen Milchbauern zugute kommt. Und schließlich könnten auch die Molkereien vom Rohmilchverkauf profitieren: Für den Liter Ab-Hof- verkaufte Milch muß der Bauer ca . S 2 , 50 abliefern, womit der Butter- und Käsepreis gestützt und die Verrechnung in der Molkerei be– zahlt wird. Leider bezahlen die wenigsten Bauern den Verrechnungsbetrag . Sieben bis runfzehn Prozent der in Österreich produzierten Milch (je nach Schätzungen) werden "schwarz" verkauft , das bedeutet einen Einnahmeverlust von eingen huh– dert Millionen Schilling . Allein diese Summe müßte für Minster Haiden Grund genung sein , sich für eine vernünftige Regelung des Rohmilch– verkaufs einzusetzen . Doch statt über Milch redet Haiden lieber über Wein . Zwei Jahresernten hätten die Weinbauern noch Lager , erzählte er bei einem Vierterl den Steyrern . Wenig erfreulich war sein Vorschlag zur Rohmilchregelung : alles oder nichts . Entweder vermarktet ein Bauer seine gesamte Milch selbst , dann bekommt er künftig eine Ab- Hof- Ge nehmigung , oder er darf nichts selber verkaufen. Daß mit diesem Vorschlag niemandem - außer vielleicht dem ÖVP - Bauernbund und mit ihm der Milchwirtschaft - gedient ist, liegt auf der Hand . Welcher Bauer würde schon das Risiko eingehen, genügend Abnehmer für die Milch seiner Kühe zu suchen? Geschweige denn , daß der Schwarz– markt eingedämmt werden könnte . Zum Glück ist in der Rohmilchfrage das letzte Wort noch nicht gesprochen. Selbst innerhalb der SP und der Regierung gibt es Ansätze für eine akzeptable Neu– gestaltung der Marktordnungsgesetze , Staatssekretär Murer etwa , mit dem die Mi t glieder der Einkaufsgemeinschaft Steyr bei ihrer Wien- Fahrt im Ministerium zwischen Tür und Angel eine Viertel– stunde plaudern konnten, hielt Haidens Vorschlag für eine Schnapsidee (Weinidee, Anm. d. Red.) Da man sich auf Politiker aber nicht verlas seh sollte, tun die Rohmilchfreu~de gut daran , sich selbst mit Nachdruck für ihr Anliegen einzusetzen .. VOLKSBANK STEYR STADTPLATZ 31 Filiale: Tabor, Pachergasse
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