Steyrer Tagebuch Nummer 18, Februar/März 1984

Anna Seghers Der Weg durch den Februar Roman 25 Buchbesprechung Das Buch beginnt mit dem Satz: EnJc neunzehnhundertdreiunddreißig, in einer schweren unJ aussi hcslosen Zeit, als im ganzen Lande Geschäfte unJ Hoffnungcn aller Art zerschlagen waren, bekam ein Mann nanH.-m Aloys Fischer, Besitzer einer stillstehenden Kt1nsttischlerc:i in der kleinen oberösterreichischen Stadt Steyr, unvermutet einen Auftrag. Der Auftraggeber war d3s Stift Hohenbuch, das sich 2.u seinem Jubiläum m allen Teilen renovieren wollte. Knapp vor Schluß erzählt Seghers dann: Die: Geschworenen kamen zurück, z.uerst die braune Frau mit der Brille. Alle standen zur Urteilsverkündung auf : „Martin Holz.er - ein Jahr, Weber - 2.wei Jahre, der alte Holz.er - vier Jahre, Willaschek - 2.wölf Jahre." Wieder blieben alle stehen, als hindere sie eine Erwar– tung, sich 2.u setzen oder einfach auseinanderzugehen. Willascheks Herz klopfte, es war ihm nichts anderes eingefallen, er sagte: ,,Wir werden die Richter von morgen sein." Seine Stimme war rauh und schwer ver– ständlich. Nur die vorderste Reihe verstand, was er gesagt harre, die übrigen fragten auf der Treppe und auf der Straße und auch am nächsten Tag: ,,Was hat der L....__________________________, Willaschek ge agt?" Für Intellektuelle an den Hochschulen und bei den Zeitungen sind vor allem die historischen Dimensionen, Utopien, Visionen, 'der neue Mensch' und der Kampf für all das mit seinem Mut oder Verrat wesentlich . Für die Menschen da– mals ging es vielleicht zum Teil auch darum, vor allen aber um ein Ende von Hunger und Kälte und eine Zukunft für ihre Kinder, das heißt praktisch die Chance, auf einem Arbeitsplatz etwas gegen den Ma.ngel tun zu können. Anna Seghers schildert die Stirrmung da– mals vorn Schicksal und Erleben vieler verschiedener Figuren her, van kleinen Tischlermeister über den Vortragenden im katholischen Lehrlingsheim, den klassenbewußten ' Parteisoldaten' bis zum jungen Arbeitslosen, der sich den Nationalsozialisten anschließt . Und o~ wohl ihre Parteinahne nie in Frage steht, versucht Seghers die Beweggründe und Gefühle der Personen jeder Seite verständlich zu machen . Anna Sepen war bereits ein Jahr laq Emigrantin im Pariser Exil, als sich im Februar 1934 die österreichisdten Arbeiter gegen das faschisti.scbe Dollfuß-Regime erhoben. Ja fänf Tagen Wlll'de der Aufstand niedergeschlagen, sein Anführer, Koloman Wallisdt, 1ebenlrt. Der »Februar« war eine der Generalproben des europä– ischen Faschismus. Zehn Wodaen nach der Niederwerfung machte sieb Anna Seghen aal die Sache nach den Sparen dieser Ereiplsse in Osterreich. Ein erster Ertn1 ihrer Reise war der Bericht »Der letzte Weg des Koloman Wall.iscb«. 1935 folgte »Der Weg duch den Februar«. »In diesem Bach«, sagt sie, »sind die österreichischen Ereignisse iD Romanform gestaltet. Manche Voraän1e lind verdichtet wor– den; maa suche auch nicht nach den Namen der Penonen und Stn.Sen. Doch unverändert dargestellt sind die Handlungen der Memcbea, in denen sich ihr Wesen und du Gesetz der Ereignisse 1ezeizf baL« Die K:iilmbeit der vielsträngigen Komposition dieses Romans ist viel prihmt worden. In der Bundesrepablik encbeint »Der Wes durc:11 den Februar« - unmittelbar vor dem »Siebten Krem« entstanden - jetzt mm erstenmal. Damit liegt das Segben'sdte Romanwerk, eines der bedeutendsten dieses Jahrhunderts, in den Aupbea des Lacbterhand Verlages nunmehr vollständi& vor. A1llla Sepen wurde am 19. 11. 1900 in Mainz 1eboren. Für ihre erste Veröffentlicban1, »Aufstand der Fischer von St. Barbara«, ertaiell de 1928 den Kleist-Preis. 1933 emicrierte sie nach Fnnk– rekll, •oa dort weiter nach Memo. Der im Exil ment endt.iene– H Ro„n »Du siebte Kreuz« (»das bedeutendste Badl des Edb iba .., >Dritte Reldai« machte sie wehberühmt. - Seit ihrer ------------------- Ricöelar 1947 lebt Anm Sepen ia Ost-Berlin.

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