Steyrer Tagebuch Nummer 16, Dezember 1983

Henisch Fragt sich noch : Was hat Henisch dazu be– wogen, sich auf E. T. A. Hoffmann einzulas– sen? Bisher kannten wir ihn doch als realis– tischen Autor , der subjektive Erfahrungen objektivierte, dessen "Kleine Figur" uns (und ihm) unmittelbare Selbsterfahrung er– möglichte, der im "Bali" den in uns schlummernden Aussteigerwunsch so glaub– würdig darstellte . Was hat Henisch mit Hoffmann zu tun? Sicher mehr als es zu– nächst den Anschein hat . Keinesfalls geht es um oberflächliche Anpassung an eine gegenwärtige lieterarische Strömung, die gerade dabei ist, die Romantik wiederzu– entdecken . Schaut man näher hin, handelt der I lo f fmannroman wiederum von zwiespäl– tigen Existenzen, von Anpassung und Wi– derstand, vorn Gegensatz zwischen Sein und Schein, von der Suche nach äem eigenen Ich . So gesehen ist lloffmann für Henisch eine durchaus realistische Identifikations– figur. Uns selbst will der realistische Einstieg nicht so unmittelbar gelingen, der Mensch Hoffmann wird nicht wirklich greifbar . Umso greifbarer war llenisch an diesem Abend. Er gab Einblick in seinen Schrei– benden Alltag, sprach über das Verlags– wesen, über Widrigkeiten, mit denen sich auch ein Schriftsteller herumschlagen muß . Dennoch sieht er sich aufgrund seiner krea– tiven Arbeit als Privilegierter, zum Un– terschied von so vielen Menschen, deren berufliche Tätigkeit er als eine "von außen aufer legte Zumutung" ansieht. Um seelisch zu überleben, bedürfe es einer ständig geübten "Unangepaßtheit" und ei– ner erneuten Hinwendung zur Phantasie . 21 Bleibt noch Dank zu sagen den großzügigen Veranstaltern des Kulturbauernhofes und Prof . Klausberger für das Zustandekommen der Lesung. Marlene Krisper

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