Steyrer Tagebuch Nummer 15, November 1983

10 Arbeitslos werden ist nicht schwer, arbeitslos sein dagegen sehr Die Arbeitslosigkeit in Steyr steigt ständig , besonders unter der Jugend . Zahlen werden immer wieder kaschiert . Jugendliche , die aus der Schule aus– ge t r e t ·e n s i nd u nd ke i ne Le h r s t e 11 e ode r sonstige Arbeit finden, - schei– nen nicht in der Arbeitslosenstatis– tik auf . Es gibt keine konkreten Zahlen über jugendliche Arbeitslose . Die Jugendlichen sind anfangs be– müht Arbeit zu finden , werden dann aber schnell hoffnungslos und apha– tisc h. Diese Situation hat sicher– lich auch zur Folge , daß Kriminali– tät und Alkoholismus unter den Ju– gendlichen ansteigt. Im Frühjahr gab es im AK- JUZ Be– mühungen ein Projekt mit arbeitslo– sen Jugendlichen zustandezubringen . Es wurden Gespräche über Förderungs– mittel geführt , wobei sich Vzbgm . SCHWARZ durch Zurü c khaltung und Ver– zögerungstaktik auszeichnete . Offen– sichtlich ist die Angst von Eigen– initiativen größer, als die Einsicht, daß längst eine reelle Notwendig– keit zur Forderung vo n se l bstständi– gen Projekten besteht . Die "Voge l – strauß-Politik" der po l itischen Ver– antwortlichen in Steyr wird diese Realität noch verschärfen. Ihr Ver– halten stärkte die Perspektivlosig– keit der Jugendlichen das Projekt ohne Produktionsmittel und geeigne– ten Räumen in die Tat umzusetzen . Die Gruppe zerfiel im Sommer. Im Herbst starteten wir einen neuen Anfang. Vier Arbeitslose und ver– schiedene Sozialarbeiter gründeten den Verein "Arbeitslosenselbsthi l fe" . Wir entwickelten ein Konzept für ein selbstverwaltetes Kultur- u. Werk– stättenhaus, welches bereits im letzten Tagebuch von K. O. kurz um– rissen wurde . Ein Ziel dieses Hau– ses soll sein, ein ausgesprochen e s Zentrum für Arbeitslose mit Getto– bildungen , wie sie in der Gesell– schaft üblich sind (z . B. Irre ins Irrenhaus) , zu vermeiden. Es soll Platz bieten für Kommunikations- u. Arbeitsmöglichkeiten, wo Gruppen aus allen sozialen Bereichen zosammen– arbeiten sollen . Träger der Projekte ·und des Hauses sollen allerdings die Arbeitslosen selbst bleiben . Derzeit versuchen wir mit gering– fügigen Produktionsaufwand hand– werkliche Dinge herzustellen und am Steyrer Christkindlmarkt (falls wir die Genehmigung doch noch er– halten) zu verkaufen , um unsere Glaubwürdigkeit 1n der Öffentlich– keit unter Beweis zu stellen und um auf uns aufmerksam zu machen. Wir wollen damit auch anderen Arbeits– losen zeigen , daß es eine andere Form der Tätigkeit gibt , als auf einen Arbeitsplatz zu warten . In dieser Gruppe (2 Frauen, 2 Män– ner) gibt es keine Arbeitsteilung von Kopf und Hand und keine zwischen Frau- und Mannarbeit . Grundsätzlich gla~ben wir, daß Ar– beitslosigkeit nicht nur ein Pro– blem der im Augenblick direkt davon Betroffenen ist, sondern auch die– jenigen angeht, die im Moment noch einen Arbeitsplatz haben (Wie lange noch?) Daher fordern wir alle, die von sich behaupten engagiert zu sein , auf, nicht nur über die Si– t~ation zu me c kern, sondern auch konkrete Schritte zu setzen . Jeder der mitmachen wi ll , kann un– sere Treffen in der Bewährung s hi l fe (62 0 23 Harald oder Werner ) in Er– fahrung bringen . Wir wünschen uns einen Riesenwe c ker mit Vorschla~hamrner für die Steyrer!

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