Steyrer Tagebuch Nummer 13, Sommer 1983

Priester, Poet, Revolutionär und Kult u~– minister Nicaraguas. Als wir, die Arbeitsgemeinschaft Chri sten– tum und Sozialismus in Salzburg, vor e r . l Jahr Uberlegten, auch größere Veran– staltungen zu machen, kam auch der Vor– schlag, Ernesto Cardenal nach Salzburg einzuladen. Wir waren dabei aber nicht sehr Uberzeugt, ob uns das auch gelingen wird. Als wir aber erfahren hatten, daß E. C. auf Einladung des Unterrichtsministeriums nach Österreich kommt, wuchs unsere Hof(nung. Un9 am 31. Mai war er da. Die Aula der / UNI Salzburg war rammelvoll. , Viele hatten keine Karten mehr bekommen und mußten vor dem Saal warten. Kurz nach 20.00 Uhr kam dann Ernesto Cardenal. Er konnte nur mit MUhe zwischen der Menschenmenge durch und hinter ihm drängten die restlichen Leute (auch die ohne Karten) in den Saal. Sie waren nicht mehr aufzuhalten. Doch dann wurde es ruhig. Dort oben am Podium stand einer, der seinen Glauben Uberzeugend bekannte. E. C. erzählte von seinem langen Weg zur Christlichen Kommune Solenciname in Nicaragua und nannte das Ordnungsprinzip dieser G~– meinschaft: "Die erste Regel ist, daß es keine Re– gel gibt. Christliche Liebe ersetzt sie'. " Zur Revolution sagt er: Die Heiligkeit der Revolution entspringt ch~istlicher Ve rantwortung als Leben in Liebe und Reue zu den Armen. Das zwingt zum Wider– stand gegen jene, die die Macht vergött– lichen und zielt auf die Befreiung der UnterdrUckten. Revolution ist als Gebot der Liebe zu verstehen und als Erfüllung der Nachfolge Christi und ~ls die ganze Befreiung des Menschen von jeglicher Un– terdrückung. Der Kreuzweg des Christen– tums hat im Widerstand . begonnen, daher meint christlicher Glaube auch sozialen Wandel. Alphabetisierung, der Kampf ge– qen Epedemien, der Einsatz gegen die Kindersterblichkeit, fUr die Agrarreform und die Schulreform sind Zeichen der Nächstenliebe. Das ist die Annäherung der fundamentalen Werte des Christen– tums und des Sozialismus. Gerechtig– keit, Gleichheit und Solidarität~ Und wegen diesem Verständis werden sie von Regierenden bekämpft, die sich Christen nennen, aber die Armen aus– 9 ~rnesto Cardinal hält es fUr eine Unter– l assungssUnde, nicht die Gefahr eines Atomkrieges und das Elend der Dritten ··, el t zu erkennen. Eine Unt 1 er lassungs– sUnde, nicht .jenem Goliath die Hände zu fesseln, der im Begriff steht, verrUckt zu werden. \ Auf die Frage, wie das Verhältnis Nica– raguas zum Vatikan sei, antwortet E. C. "Der Papst ist kein Revolutionär. Er ver– s teht nicht, daß Christen eine Revolution unterstUtzen können." Die Einnahmen, die durch den Kartenverkauf und Spend~n zusammengekommen sind, · wurden Ernesto Cardinal zur UnterstUtzung eines Projektes in · Nicaragua Ubergeben.

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