Steyrer Tagebuch Nummer 13, Sommer 1983
8 Lokales Wie ein Teich zum „Ölabscheider" wird Umweltskandal vor der Haustür Eigentlich ist es kein Teich, sondern ein Kriegsdelikt: eine tiefe, hinter dichtem Ge– strüpp verborgene Grube zwischen Wälzlagerwerk und Gußwerk II, die zu Adolfs Zeiten als Tanklager für Steyrs KZ-verstärkte Rüstungsindustrie diente. Einige Betonteile davon sind noch zu sehen, soweit sie aus der schlammigen, schmierigen Brühe herausragen, die den größten Teil der Grube füllt. Von beiden Werken fließen laufend Altöl, hochgiftige Bohrmilch und andere Industrieabwässer zu: als öliges Rinnsal aus dem Gußwerk, in kräf– tigem Schwall aus einem Kanal des Wälzlagerwerks; ungeklärt, versteht sich. Nach Auskunft des Magistrats besitzen die Steyr-Werke eine Bewilligung, den künst– lichen Teich als "Ölabscheider" zu ver– wenden. Das geht so vor sich, daß die giftigen Abwässer einfach hineinflie- ßen, sich zum Teil absetzen, zum Teil abgepumpt werden und über einen Kanal, der erst vor kurzem einen Filter bekom– men hat, geringste, behördlich natürlich genehmigte Mengen an Schadstoffen ab– fließen. Und :arva_ r direkt in die Enns. .Dort hielten dann auch Ende April zwei Steyrer Umweltschützer Nachschau, ent– deckten einen feinen Ölfilm, der per– manent aus dem Kanal in die Enns ström– te und erstatteten Anzeige. Der zuständige Magistratsbeamte Dr. Alphasamer bekam dabei den Ölteich hinter dem Wälzlager– werk zum ersten Mal zu Gesicht; von sei– ner Existenz; geschweige denn einer Be– willigung als "Ölabscheider" hatte er bis dahin nichts gewußt. Wasserproben, die die Polizei genommen hat, gibt es inzwischen nicht mehr; die Post hat die Plastikflschen auf dem Transport zer– brochen ••• · Ärger mit dem "Ölabscheider"• gab es schon ' vorher. Feuerwehr und Bundesheer rückten vor einigen Jahren mit Sprengladungen aus, um den von giftigen Ablagerungen undurch– lässig gewordenen Boden des Teiches wie– derlocker zu sprengen - damit das Zeug versickern konnte (Richtung Grundwasser?) Nicht zuletzt gab es immer wieder Ölalarm auf der Enns, Verursacher unbekannt. Beim Magistrat war indes auch Erfreuliches zu erfahren: Zu der Kläranlage, die die Steyr-Werke bis 1985 errichten sollen, . wird auch ein echter Ölabscheider gehö– ren, der die giftigen Abwässer nicht ver– sickern und unauffällig verteilen, sondern tatsächlich unschädlich machen soll. Hoffen wir's. Weniger erfreulich ist die hauseigene Mülldeponie der Steyr-Werke im Münich– holz, genauer gesagt an der Böschung, die zu eben dem Kanal führt, aus dem der stete Ölfilm rinnt. Behörden haben sich zur Kontrolle angesagt, deshalb treiben die Steyr-Werke nun "Umweltschutz", wie sie ihn verstehen: Mit allem, was drin stecken mag, wird der ganze Haufen mit Erde bedeckt und, denn das ist bekannt- lich umweltbewußt, mit Bäumen bepflpnzt. Wie sagte doch Martin Luthe·r? - "Wenn ich wüßte, daß morgen die Welt untergeht, würde ich trotzdem heute noch mein Apfel– bäumcher I pflanzen." Er kam 500 Jahre zu früh. Als Umweltschutzbeauftragter der Großindustrie hätte er heute eine strahlende Zukunft vor sich. Text: Fritz Steinbock
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