Steyrer Tagebuch Nummer 12, Mai 1983

6 Natl·onalsoz1·alismus - - - - - - - - - - - - -- - - -- - - - - - - ------ ------------------ T AGfßl lCtj_: Sie hatten Schwierigkeiten mit de n Nationalsozialisten ••• ? STEI NBOCK : Aus zwei Gründen war ich Gegner des Nationa f sozialismus . Ich hab mich da von Anfang an orientiert an Hitlers Buch "Mein Kampf " , um aus der Quelle Nachricht zu haben . Gegnerschaft gegen die Religion habe ich darin nicht gefunden, aber direkt Haß gegen Österreich , besonders Alt- Öster– reich . Und da mir das Vaterland seit Stu– dienzeit am Herzen liegt , habe ich gewußt , wie ich dran bin . Danach ist in Ueutsch– land auch die Gegnerschaft gegen die Kirche gekommen, nicht so sehr von Hitler selbst , sondern von den Parteiideologen , beson– ders Rosenberg ("Mythos des 20 . Jahrhun– derts") . Wir haben demgegenüber die Wahr– heit verbreitet ; die Gegenbücher . Auch als der Kampf gegen die Kirche dann mit will – kürlichen Prozessen geführt wurde . Die antiösterreichische Haltung hatte Hitler vom Geschichtsunterricht, der da– mals in Österreich merkwürdigerweise von vielen Professoren so war . T Aß[ All CH : Die Kirche war schon immer für ein unabhängiges Österreich? STEINBOC~ : Ja , das wird heute oft miß– deutet in dem Sinn , daß man sagt : die Kir – che mußte zum Kaiser halten, weil der Kai – ser sie schützte . Es war aber einfach Vaterlandsbewußtsein , denn das ist in der kirchlichen Lehre enthalten . Uas war für manche dann der Konflikt , daß sie gemeint haben , jetzt ist Deutschland unser Vater– land , 1938. Wir haben aber nicht Deutsch– land bekämpft, sondern diese Parteiideo– logie . Diese doppelte instellung haben wir verbreitet , was uns am ationalso– zialismus nicht recht sein kann . Nach dem Anschluß war ich daher sofort mißliebige Person und wurde von Gestapo und NSUAP– Kreisleitung mit Schulverbot aus Ried/! vertrieben und kam dann nach Steyr in die Vorstadtpfar.re . I4GfBUCH : Welche Rolle spielte damals der Fall Jägerstätter? STEINBOCKi Mir ist die Sache erst hinter– her bekannt geworden, weil ich damals be – reits im KZ war . Aus seiner katholischen Überzeugung hat er gesagt : ich kann so einem nicht den Eid schwören , Es war seine persönliche Überzeugung . Für den Bischof war das eine fürchter – liche Zwickmühle , Bestätigte er ganz und gar diese Überzeugung , hätte er sofort eine Verfolgung der ganzen Kirche ris– kiert . Andererseits mußte er ihm seine innerste Überzeugung gelten lassen . Allgemeinkirchlich war das nicht verord– net : Ihr müßt den Eid verweigern . Das muß man dem Gewissen des Einzelnen über– lassen •• Kirchlich ist es immer so gewe– sen : im Interesse der Seelsorge muß man einen Zustand schaffen , in dem die Kir– che für den Menschen wirken kann . Wenn man als Kirche sofort als Verneiner des Staates auftritt, is diese Möglichkeit von vornherein nicht mehr gegeben , Das ist nicht ein Arrangieren mit den augen– blicklich Mächtigen , wie der Kirc he oft vorgeworfen wird , sondern soll die Grund– lage schaffen , daß sie sellsorgerisch wirken kann . TAGEBUCH : . Wenn man das mit Polen ver – gleicht? STEINRQCK: Die Kirche in Polen verneint - die kommunistische Regierung ·auch nicht von vornherein , sondern ist bemüht , mit einer Regier ungsform , die einfach nicht wegzubringen ist , irgendein Auskommen zu finden . Aber immer wieder wird bekannt– gegebe n, was uns nicht recht sein kann : Unterdrückung , Beschränkung· der Meinungs– freiheit usw . Das hbt die Kirche eigent– lich immer getan , wo es notwendig wurde . Z. B. in Hirtenbriefen , wie von Bischof Galen von Mänster gegen Euthanasie , Die– se Hirtenbriefe wurden vervielfältigt und wir haben sie sehr weit verbreitet . Natürlich hat es einzelne Geistliche ge– geben, die von Anfang an gemeint haben , das ist eien kräftige Regierung , da wird die Gaunerei abgeschafft , Arbeit geschaffen usw . Das ist auch geschehen , aber mit Kriegsrüstung , es war eine zwei – schneidige Sache . Fn.edensbewegung------ ------------- - ----- ------------------------- TAGEBUCH : Hätte nicht doch eine entschie- pdenere Haltung der Kirche gegen den Kr ieg etwas ausrichten können? STEINBOCK : Das kommt mir immer ein biß– chen kindlich vor . Auch jetzt gibt es eine Menge Stellungnahmen , der Papst appelliert . In dieser Hinsicht hat die Kirche keinen direkten Einfluß . _I AG[BII CH · Aber wenn man etwa an die Nervo– sität der Regierung Reagan wegen des Hir– tenbriefs der katholischen Bischöfe der USA denkt? STEINROC[: Da sind die Bischöfe ganz ener– gisch vorgegangen . Als Gegenstück würde a~er gehören, daß auch im anderen Lager dieselbe Haltung möglich wäre . Das ist auch was mir an der Friedensbewegung , so sehr ich sie mag und gutheiße , immer wieder et– was zweifelhaft vorkommt . Es ist leider

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