Steyrer Tagebuch Nummer 11, April 1983

4 zur Nationalratswahl 1983 Gerade für Beobachter, denen nicht am Schicksal von Parteien an sich oder ein– zelnen Politikern liegt, sondern daran , daß die Probleme , vor denen wir stehen , möglichst sachgerecht angegangen werden , für sie, für die Begründung ihrer Wahl – entscheidung , hat der Wahlkampf bisher · noch kaum etwas gebracht . Die SPÖ wirbt zwar mit "Frieden sichern für Österreich", reagiert aber nur unver– bindlich (aber immerhin) auf die Forderung nach Ersatz der Rüstungsproduktion und den Verzicht auf Abfangjäger . Zu allem Über– druß will Salcher auch noch Zeitsoldaten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit . Die SPÖ wirbt mit "Den Frauen gleiche Chancen" , aber den im Verhältnis wenig– sten Kandidatinnen , mit "Den Jungen ihre Freiheit ", wirft aber den unbequemen Fra– ger Cap aus dem Parteivorstand . Auf den einzig überzeugenden Slogan "Das kleinere Übel - für Österreich" hat die SPÖ verzichtet . Auch die (Un - )Art, einzelne Minister zwar gute Vorschläge verkünden , aber nicht aus– führen zu lassen , läßt nicht allzuviel für die Zukunft hoffen (zB Dallingers Pläne zur Arbeitszeitverkürzung oder Stey– rers Überlegungen, die Ersparnis durch die Benzinpreisverringerung dem Umwelt– schutz zu widmen) . Der ÖVP- Wahlkampf versucht die Illusion für die Wirklichkeit zu verkaufen . Wenn Mock nur verspricht "alles zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" tun zu wollen , meint er schon , nicht mehr sagen zu müs – sen , durch welche Maßnahmen er das schaf– fen will . Und nicht wo , sondern nur wie– viele Milliarden er einsparen wolle . Wer das ernst nehmen kann, muß es mit sich selbst ausmachen . Die FPÖ , deren Obmann immerhin den Ein– druck erweckt , der intelligentere Oppo– sitionsführer zu sein , dürfte im Ernst – fall einer Regierungsbeteiligung mit den unterschiedlichen Interess en ih rer Mit – glieder von Industrie bis gr.ün , von li– beral bis braun nur schwer zurande kommen . Bei den traditionellen Parteien könnte man noch auf die KPÖ eingehen - aber die glaubt ja selbst nicht mehr daran, den Lauf der Dinge noch beeinflussen zu können . Die vor allem persönlich ausgetragenen Dif– ferenzen zwischen Vertretern der VGÖ zeigen , daß diese Partei programmatisch noch sehr wenig gefestigt ist , vor allem auch in der Wirtschaftspolitik . Besonders bedenklich sind . jedoch ungeklärte Beziehungen zum neo– faschistischen Bereich . So enthält zB die rechtsextreme Monatszeitschrift "Die Umwelt" (März 1983) ein~ Unterstützungserklärung für die Nationalratskandidatur der VGÖ; (In der– selben Ausgabe fordert die Zeitschrift vehe– ment eine strenge Tabuisierung des Themas Sexualität in der Schule) . Auch die ALÖ , die eine Reihe wichtiger Themen aufgreift und recht sympathische Vor– schläge zur Frage Politikerprivilegien macht , erweckt derzeit einen zu unsicheren Eindruck , um sie guten Gewissens wählbar zu machen . Zu begeistern vermag also keine Partei , Ent– scheidend wird also einerseits sein , was die rationale Suche nach dem kleineren Übel ergeben wird , andererseits der Einfluß emotionaler Faktoren . So würde es mir per– sönlich zB schwer fallen , Bruno Kreisky nach seinem letzten Wahlkampf einen Korb zu geben . Ich halte also für das wahrscheinlichste Ergebnis, daß ich am Wahltag der SPÖ meine Stimme geben und dann bis zum Schluß der Auszählung auf möglichst viele Mandate für die ALÖ hoffen werde . . r . k .

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