Steyrer Tagebuch Nummer 11, April 1983

20 Basisgruppen Das ungeliebte Kind Mit aller Kraft und scheinbarem Erfolg haben wir _uns·gegen die Errichtung des Kanonenschieß platzes im Reichraminger Hintergebirge ge– wehrt . Haben wir uns gefragt , ob die VÖEST weitermacht? - Sie macht weiter ! Im steirischen Eisenerz, auf ihrem eigenen Grund und Boden (ist die VÖEST nicht ver– staatlicht? ! ) errichtet sie jetzt ihren "Schießbudenplatz" . Hat die VÖEST doch ge– glaubt , die Steiermärker seien unmündig - aber auch diese Leute sind wachsam und set– zen sich für den Frieden ein . Die Bevölke– rung wurde über die Errichtung des Schieß– platzes nicht informiert und die VÖEST be– gann in aller Heimlichkeit mit dem Bau Nach Bekanntwerden des Projektes· wurde ~o– fort eine Initiativgruppe gegFündet , die durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit mög– lichst viele Menschen aufmerksam machen will . Viele Leute in Eisenerz sind direkt von der VÖEST abhängig und es herrscht gros– se Angst um Arbeitsplätze . Sind diese Ar- bei tsplä.tze wirklich so wertvoll , wenn er dabei gegen sein Gewissen handeln muß?(Er– zeuge ich nicht Produkte, die anderen Men– schen den Tod bringen?) . Dazu fällt uns ein 'Wahlplakat ein - FRIEDEN SICHERN . Um welchen Frieden geht es uns? Den in Öster– reich (Inselfrieden der Seligen), den in Jordänien , den im Irak? In Eisenerz werden 200 der in Österreich erzeugten Bull- Kano– nen eingeschossen und mit Genehmigung der österreichischen Bundesregierung nach Jor– danien verkauft . Von dort werden sie dann an den kriegführenden Irak weitergegeben . Dieser Waffenexport verstößt gegen den Staatsvertrag und die Völkerrechte . Dem An– sehen der österreichischen Neutralitäts– politik wird sicherlich beträchtlicher Scha- . den zugefügt . Aber kein Politiker hat sich bis jetzt öffentlich gegen diese Mordwaf- fen ausgesprochen . Also , was soll besagtes Wahlversprechen ! Der österreichische Staat müßte doch end– lich umdenken , um von den teuren Arbeitsplät– zen im Rüstungsbereich wegzukommen und Ar– beit zu schaffen , die dem Menschen dient und ihn nicht vernichtet . Gerade darum geht es vor allem vielen Eisen– erzer(innen) : weniger stört sie der unzu– mutbare Lärm des Kanonendonners als die dau– ernde Erinnerung an den Verwendungszweck - an die Vernichtung menschlichen Lebens ! Steyr: Wie weit geht die VHS auf die Be– dürfnisse der Bevölkerung ein, oder : wie konservativ ist das Kulturamt VH Wir, das sind eine Gruppe junger Frauen, durchwegs Mütter und im Haushalt tätig, wohnhaft am Stadtrand von Steyr in einer Neubausiedlung mit vielen Hochhäusern . Der– zeit leben hier etwa 3000 Menschen . Wir hörten im Frühjahr 1982 davon, daß ein Team von Expertinnen und Staatssekretärin Dohnal ein Seminarprograrnm "Selbstbewußt– sein für Frauen" eraroeitet hat . Als wir uns über den Inhalt des Kurses näher informierten, fühlten wir uns davon sehr an– gesprochen . Im neuen Programm der VHS Steyr aber war die– ser Kurs nicht zu finden . Dies veranlaßte uns bei der VHS deswegen vorzusprechen . Unser Wunsch war , daß auch am Resthof ein derarti – ges Seminar mit Kinderbetreuung abgehalten werde . Wir wurden höflich ersucht, ein schrift~ liches Ansuchen zu stellen . Nach einer gebüh– renden Wartezeit von ca . 2 Monaten bekamen wir die Absage , ohne ersichtlichen Grund . UNsere Enttäuschung war größ. Weil leider die einzig uns bekannte Aktivi– tät der SPÖ für Resthoffrauen nur aus einem einmal jährlich stattfindenden "Frauencafe" besteht - (wo wir zu unserm Erstaunen auch ein Drittel männliche Politiker antrafen)– nahmen wir auch Kontakt mit einer Resthof– SPÖ- Funktionärin auf . Denn gerade von dieser Seite hofften wir auf Unterstützung und Interesse . Aber auch hier bekamen wir kein Echo . Ob es wohl daran liegen mag, daß so– wieso großes Mißtrauen gegenüber allen par– teiunabhängigen Aktivitäten herrscht? Der Kurs fand dennoch statt ! Wir bemühten uns eine Kursleiterin zu finden . Zwei Müt– ter übernahmen in einer Privatwohnung die Kinderbetreuung, das Kinderfreundeheim dieg– te gegen Bezahlung als Kursraum . Die Unko– sten, die nur zu einem geringen Teil durch Kursbeiträge gedeckt waren, übernahm der Verein zur Förderung der Gemeinwesenarbeit Resthof" .

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