Steyrer Tagebuch Nummer 10, März 1983

Leserforum Hallo Leute! Ich , 22 1/2jähriger Studierender, schreibe Euch hier ein paar Gedanken, die mir beim Lesen Eurer Zeitschrift gekommen sind . - zum 11 Negerschießen ": Witze , in denen Neger, Juden Geisteskran- ke usw . schlecht wegkommen, sind an der Ta– gesordnung . Nachdem hier getötet wird , kann man den Begriff "Witz" ohnehin gleich strei – chen . Daß er von Jägern erzählt wird , kann tatsächlich zu bestimmten Assoziationen füh– ren . Nur ist hier Vorsicht angebracht, denn die Frage "Sind Jäger Faschisten? " ist schon gefährlich und mit einem faschistischen An– strich formuliert . Also : Jagd , so habe ich mir sagen lassen , muß sein um den Wildbestand in Grenzen zu halten . Tatsächlich aber mag das Ausüben der Jagd bei manchen Menschen auf einen kräftigen Anteil nicht abreagierter . sa– distischer Anwandlungen zurückzuführen sein . Kurz : ich bin kein Fachmann . Allerdings soll– ten Bilder , wo der erfolgreiche Weidmann mit einem Fuß auf der Beute steht , weder gemacht noch eingerahmt aufgehängt werden . Soviel zu den Jägern . Bemerkenswert ist jedenfalls , daß "Witze" die– 3 Kultur ervice tatt Kulturamt Kulturamt der Stadt Steyr . Amt und Kultur, wie verträgt sich das? Was macht das Stey– rer Kulturamt mit der Kultur? Es schränkt sie ein, tötet sie ab, verhindert behin– dert, schimpft . Das Kulturkonzept beschränkt sich auf eine absterb~nde soziale Schicht in Steyr : Operetten fQr alte Handarbeits - lehrerinnen und Hofratswitwen, Klassiker in erbärmlichen Aufführungen für Alt - Akademi – ker , die noch in Erinnerungen an Oskar Wer – ner schwelgen . Und wenn einer stirbt, gibt es wieder einen Abonnen en weniger . Der Rest der Stadt wird dann von Amts wegen beschimpft, weil er nicht interessiert ist, öde Theater– stücke durchzugähnen oder Konzerte zu fül – len , die musicboxähnlich Althergebrachtes mangelhaft herunterleiern . Außerdem läßt sich dieses Konfektionsprogramm in jeder anderen größeren Stadt konsumieren , weil das meiste en gros bei Agenturen eingekauft w~rd . Lebendige Kultur , die Herz und Hirn for – dert , verändert , zum Mitmachen anregt, wird nicht gebracht, ja behindert , mit Mißtrauen und Eifersucht betrachtet . ser Art nicht nur von Menschen mit Gewehr er- Steyr ist keine Stadt der Hofratswitwen , zählt werden , sondern auch unter Schülern . In Steyr ist eine Stadt der Arbeiter und Ar– diesem Fall ist es tatsächlich Ahnungslosig- beitslosen , eine Stadt der Aufsteiger und keit , fehlendes Wissen . Tatsache ist aber , daß der Schulen , Steyr braucht ein anderes Kul – manche dieser Leute später selbst dann noch , turkonzept und ein Kulturservice von Leuten , wenn sie schon Akademiker sind , sieb solcher die dieser schwierigen und lebendigen Situa– Geschichten nicht enthalten können . Hier ist dition menschlich und intellektuell gewachsen die Ahnungslosigkeit zur reinen Dummheit ge- sind . worden . Der erste Schritt könnte eine Computerbefra– Man sollte also keine Verallgemeinerungen tref gung der Steyrer sein , was sie als Kulturan– fen . Jäger sind keine Faschisten . Aber warum gebot erwarten, was sie selber beitragen wol - sollten Faschisten nicht Jäger sein? len . ( ..• ) Dann müssen die Säle zu günstigsten Bedin - Somit also ein paar Meditationen zum Thema . gungen benutzbar sein , ohne Zensur , ohne Be- Noch einige Worte zur Zeitschrift allgemein : binderung . Sehr positiv zu beurteilen sind Eure Wehr– graben- Beilagen , die sicherlich mithelfen das Problem dieses Stadtteils iii r::rinnerung zu be - wahren . Ansprechend war vor allem in Nr . 9 das Titel– blatt wie überhaupt das gesamte Lay- Out . Ehe ich ' s vergesse , buch , interessant auch die Beiträge zum Thema " 1934"; informativ und not– wendig . Wenn Ihr auf diese Weise weitermacht , we ich jedenfalls Stammleser . Gerhard Eine Zentralservicestelle muß da sein , die Tonanlagen , Scheinwerfer , etc . herbergt . . Die Idee einen zentralen Kulturkalender zu erstellen , ist grundsätzlich gut , wenn sie nicht zu Behinderung und Gängelei ausartet . Kein Groschen Geld , das das Kulturamt aus– gibt , gehört dem Amt oder der Gemeinde . Es ist unser Geld, das diesem Amt zur Verwal– tung anvertraut ist . ----..... Josef Prever . - ~- t/E-1<,r j),e:. -:..--..,;:::- Rt') CK(-lß l,l//(EN ~ ~as -::> t1,/p R&~cvle~T s- t)F~~fJ/;lf a r_/ .,. \ .. ~J.IA ... ~ - ~ j. ~

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