Steyrer Tagebuch Nummer 9, Februar 1983

8 12. Februar 1934 ... weiß ich noch genau, kann mich erinnern! Gespräch mit August Moser , 86 Jahre , Werkzeugmacner , in den Jahren 1930 - 34 Betriebs– ratsobmann der Steyr- Werke , anschließend Flucht über CSSR nach Schweden , dort mit Bundeskanzler Kreisky in der Emigration , Nach Kriegsende Kommunalpolitiker; und mit Alois Zehetner , 75 Jahre , Arbeiter und in der geschilderten Zeit Betriebsrat . "AN die Tage des 12 .- 14 . Februar , kön– nen wir uns noch genau erinnern . Wir waren damals in den Steyr-Werken be– sthaäftigt , als Betriebsräte bei der Ge– werkschaft und beim Republikanischen Schutzbund . Die Ereignisse waren ein Schlußpunkt eines Zeitgeschehens und ha– ben die Arbeiter arg in Anspruch genom– men , Die dama l ige Koaltionsregierung zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten unter dem Bundeskanzler Dollfuß wirkte auf eine Demontage der sozialpolitischen Gesetzgebung hin . Arbeiternots:tandsge– setze , Betriebsrätegesetze , Krankenkas– senrechte waren in Gefahr . Schon 1927 nach der großen Demonstr.ation in Wien nach dem Urteil von Schattenburg bilde– te sich der republikanische Schutzbund .. als Gegenbewegung zur Heimwehr , Für uns waren die Vorkommnisse in Wien ein Wende punkt , wir nahmen zum ersten Mal eine Waffe in die Hand . Wir organisierten Waffen, meist Restbestände aus dem Ersten Weltkrieg und übten in Unterhimmel das Schießen . Wir hatten überall in Steyr Waffenlager . _In der Tageheimstätte , im Arbeiterheim , in der Industriehalle, ei – nige hatten sie zu Hause versteckt . Die Steyr-Werke durften nach dem Ersten Weltkrieg keine Waffen erzeugen , es wur– den aber trotzdem neben den Jagdwaffen schon wieder Militärwaffen erzeugt und ü~e~ eine Schweizer Firma· nach Griechen: land verkauft . Die Lage spitzte sich immer mehr zu . Die Polizei hatte im Auftrag der Regierung nach Waffen zu suchen . Obwohl wir eine Semeindeeigene Polizei hatten - sogar im Rathaus wurde eine Durchsuchung ge– macht . Die Heimwehr konnte ohne Schwie– rigkeiten Veranstaltungen durchführen, wir durften 1833 nicht einmal einen Mai – aufmarsch durchführen . Am Sonntag , 11 . 2 . 1934 hielt Major Fey von der Heimwehr einen Vortrag, wo er indirekt eine Ankündigung machte "Mor– gen an die Arbeit gehen und ganze Ar– beit leisten !". Wir trafen uns in Linz mit Parteiobmann Bernaschek , der die gan– ze Woche in OÖ unterwegs gewesen war und die Kollegen in Versammlungen traf . Wir faßten einen gemeinsamen Beschluß , den wir an die Parteileitung nach Wien über– mittelten . "Schluß mit der Nachgiebig - 1 keit gegenüber der Regierung . Bei er– neuten Verhaftungen und Durchsuchungen werden wir uns wehren . " Am Montag , 12 . 2 . um 6 Uhr früh , grif– fen in Linz Militär und Polizei , die im Hotel "Schiff" stationierten Schutz– bündler an . Um 7 Uhr wußten wir in Steyr schon von den Vorkommnissen , um 1o Uhr bekamen wir aus Wien die Order den Gene– ralstreik auszurufen . Wir gingen in die Halle und riefen"Maschinen abstellen , Streik ! " . Die Leute vom Schutzbund gingen sofort zu ihren Stützpunkten , wir hatten uns ja darauf vorbereitet . Die Schutz– bündler sammelten sich auf der Ennsleite und räumten die Polizeistube , wo es schon zu einer Auseinandersetzung gekommen war (ein Polizist wurde angeschossen) . Die Polizei und das Militär kamen die Dam - berggasse herauf und es kam zu einem Schußwechsel , weil wir uns einstweilen im Werk dort postierten , wo heute die neue Straße ist . Wir hatten den Auftrag, min _ nP~tP.n~ 7.Wei Tage auszuhalten . Wir wurden noch von Schutzbündlern aus der Neustraße und Letten unterstützt . Das Militär verlagerte Artilleriegeschütze von Enns nach Steyr und beschoß vom Tabor die Ennsleite . Ca . 3000 Mann von Heimwehr und Militär standen 700- 800 Schutzbündlern gegenüber . Nach zwei Tagen ging uns die Munition aus und wir hißten die weiße Fahne . Einige wußten das noch nicht und schossen noch selbstgefertigte Handgranaten ab , auf die In Polizei, die auf die Ennsleite marschiertet , Es wurden alle Häuser durchsucht ·un'd wer von den Schutzbündlern gefunden wurde, wurde aufs Schloß . oder in diverse Schu- len gebracht . Diese Ereignisse hatten verschieden Kon– sequenzen : der Schutzbund und die Sozial– demokratische Partei wurden verboten . In Steyr wurde ein Herr Ahrer hingerichtet, durch Erhängen - ein klarer Justizmord . Ge·nauso kam es in den anderen Zentren des Aufstands zu Hinrichtungen . "

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