Steyrer Tagebuch Nummer 9, Februar 1983

6 12. Februar 1934 unterstützt wird . Offiziell wird 1923 de r Republikanische Schutzbund gegrün– det . Die verhärteten Fronten zwischen den beiden Blöcken beschwören ein Wet t – rüsten herauf und resultieren in bluti – gen Auseinandersetzungen - Mißtrauen und Aggressivität sind vorherrschend . Nach dem Urteil von Schattendorf (Heim– wehrler schossen auf Schutzbündler - zwei Tote ! ), das mit Freispruch endet, kommt es in Wien zu Streiks und einer Demonstration . Nach Zusammenstößen mit der Polizei eskaliert die Stimmung und gipfelt in der Br andlegung des Justizpa– lastes (15 . 7 . 1927) . Seit diesem Zeit - punkt geht in Österreich das Bürger - kriegsgespenst um . Zudem findet der Faschismus , angesichts der Erfolge MUssolinis , auch hierzulan– de immer mehr Anhänger, die Heimwehr wird von italienischem Kapital unter - stützt . Österreich wird vor allem wirt– schaftlich (Völkerbundanleihe) immer abhängiger vom Ausland . Bundeskanzler Dollfuß wollte dem von innenpolitischen und wirtschaftlichen Krisen geschüttel – ten Staat mit seinem autoritär - fa– schistischem Kurs (Ausschaltung des Par– laments) die Eigenstaatlichkeit erhalten . Für seinen Kampf gegen Nationalsozialis– mus und Marxismus benötigt er Hilfe von außen - Mussolini gewährt sie ihm unter der Forderung eines entscheidenden Vor– gehens gegen die linken Kräfte . Die Heimwehr forciert Waffensuchen in ehe– maligen Schutzbundlokalen (SBAuflösung 1933) und in Parteiheimen . Durch diese dauernde Provokation der Sozialdemokraten wird der Ausbruch eines Bürgerkriegs, den gemäßig- te Politiker immer noch abzuwenden versuchen nur mehr eine Frage der Zeit . · Als am 11 . 2 . 1934 Aktionen der Heimwehr zu Verhaftungen und großangelegten Waffensu– chen führen, entschließt sich der oberöster– reichische Schutzbundkommandant Bernaschek zum bewaffneten Widerstand . Am 12,. 2 . 1934 wird das Linzer Hotel "Schiff" nach Waffen durchsucht, es kommt zu einem Schußwechsel– das Zeichen zum Aufstand ist gegeben . Die erbitterten Kämpfe fordern hunder te Op– fer, zahllose Verwundete und führen zu Hin– richtungen (Wiedereinführung der Todesstrafe im Herbst 19331) und standrechtlichen Er - schießungen . Am 15 . 2 . ist das Schicksal der Sozialdemo– kraten besiegelt : nach der Niederschlagung des Aufstandes werden alle Sozialdemokraten ihrer Posten enthoben , ihre Mandate werden annuliert , die politisch organisierten Ge– werkschaften durch eine Einheitsgewerk - schaft ersetzt . Die sozialdemokratischen Kräfte waren zer~chlagen bzw . illegal ge– worden . ' Und heute? Bei Betrachtung des wirtschaftlichen As– pektes sind einige Parallelen auffällig : Österreich ist mittlerweile von _der welt – weiten Krise schwer betroffen und die Fol– ge sind - Produktionssenkungen, Kurzarbeit , Ar - beitslosigkeit; - größte Schwierigkeiten in den krisenan - fälligsten Branchen (z . B. Schwerindustrie) ; - "Auslandsausverkauf " - viele Betriebe gehen in ausländischen Besitz über (BMW) . Der gesellschaftspolitische Aspekt hinge– gen ist (mittlerweile noch?) geprägt von Arrangements zwischen Regierung, Gewerk– schaften und Arbeitnehmern . Viele von die– sen sind in einer ähnlichen Situation wie die Arbeiter vor 50 Jahren - sie zittern um ihren Arbeitsplatz . Damals mußten die sozialen Rechte zuerst erkämpft , dann ver– tedigt werden . Die Krise damals wurde vor allem auf dem Rücken der Arbeiter ausge– tragen und die Not kannte gerade auch in Steyr keine Grenzen (von 1929- 30 entlies– sen die Steyr-Werke 4253 Arbeiter und 350 Angestellte~ 70% der Belegschaft ! ) . Heute sind die finanziellen Sorgen Arbeits– loser vielleicht nicht so erdrückend aber wie sie mit dem Problem "Arbeits- Los:' umge– hen, ob und wie sie es meistern , das ist ihre persönliche Leistung . Festnahme des Steyrer Bürgermeisters Sichelrader auf der Ennsleite am 14 . Februar 1934 . (Fotoarchiv Schmitzberger)

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