Steyrer Tagebuch Nummer 9, Februar 1983

Arbeitslosigkeit F.: Wie ist es deinen Schulkolleginnen ergangen? A.: Wir waren zwanzig Mädchen und haben dasselbe gemacht , Bewerbungsschreiben und so . Bei den Burschen war's besser . Von zehn ging die Hälfte zum Bundesheer, drei fingen bei einer Bank an . F.: Weißt du was von denen, die zuerst zum Bundesheer gingen? A.: Nur von einem; der geht jetzt als Po– lizist rum. F.: Kannst du dich an eine Stellenbewer– bung genauer erinnern? A.: Vielleicht beim BMW- Werk . Ich habe einen Brief für eine persönliche Vorspra– che bekommen . Ich hab gleich g~dacht,mög– licherweise wirds diesmal was . Ich hab eine halbe Stunde gewartet , dann hab ich mich ins Büro de r Sekretärin setzen dür– fen und nach längerem Warten hab ich zum Personalchef hinein dürfen . Es war so ko– misch mit einem Deutschen zu reden - wenn ich versucht hab Hochdeutsch zu reden, das hat sich so komisch angehorcht , daß ich mich gleich unsicher gefühlt hab . Er hat mir ein Stenogramm angesagt, sowas von Stenogramm hab ich noch nie geschrieben , mit Fremdwörtern die ich noch nie gehört hab . Dann hab ich'sin die Maschine über– tragen , da hat er gefragt , ob ich schon fertig bin und ob ich den Inhal t wieder– geben kann . Das hab ich nicht gekonnt . Dann haben wir noch über meine Hobbys ge– redet , so fünf bis zehn Minuten . Sie ha– ben gesagt , daß sie mich verständigen werden , ansonsten werde ich in Evidenz genommen , was passiert ist . F,: Was für ein Gefühl hat man , wenn man dort s0 alleine sitzt? A.: Beim Hartlauer , da waren zumindest mehrere, da kann man miteinander reden und mich hat es gewundert , daß es den an– deren auch so geht. Es waren auch welche von der HAK dort . Eine hat schon im Be - trieb der Eltern gearbeitet , damit sie eine Praxis bekommt , aber für die war es genauso schwer . Das war im Jänner ; die haben seit der Matura gesucht . Andere waren dort , die schon gelernt haben , die aber aufhören mußten , weil der Betrieb in Konkurs gegangen ist . 15 F,: Womit haben Firmen Absagen begrün9et? A.: Meist gar nicht . Einmal , weil ich ein Genügend im Zeugnis habe . Sie wollten eine mehrjährige Praxis ·oder ältere Frauen , die schon größere Kinder haben , damit nicht die Gefahr besteht, daß sie dann wieder aufhören . F.: Hast du versucht , durch Fürsprache von Bekannten wo hineinzukommen oder kennst du solche Fälle? A.: Ich kenn eine , die hätte drei Posten bekommen, weil ihr Opa den Direktor der Sparkasse kennt . Die hat gleich einen Posten nach der Schule gekriegt . F.: Wie fühlt man sich , wenn man so lange Arbeit sucht? A.: Ich hab bei Verwandten ausgeholfen . Dann bin ich auf Urlaub gefahren , hab den Führerschein gemacht , bin wieder zu den Verwandten . F.: Belastet es dich , finanzie ll nicht abgesichert zu sein? A.: Am Anfang nicht -so , von der Schule her war ich das nicht gewohnt ; erst wie ich ein bißchen gearbeitet hab . F.: Ist es nicht ein schönes Gefühl Frei– zeit zu haben, wenn die anderen arbeiten? A.: Nach den Ferien nicht mehr , da kommt man sich so überflüssig vor und man bekommt ein schlechtes Gewissen . Mir wär ' s lie– ber, wenn ich genauso arbeiten könnt wie die anderen . Mit der Zeit weiß man mit der vielen Freizeit nichts mehr anzufan– gen . Außerdem vergißt man , was man in der Schule gelernt hat . F.: Hast du dir schon das vielen Frauen geratene Argument - nämlich zu heiraten und Kinder zu kriegen - überlegt? A.: Jede Frau soll auch arbeiten können . Wozu hab ich gelernt , wenn ich dann eh heirate . Wenn man mit dem Partner ver– dient, das hat auch Vorteile, z . B. auf Urlaub fahren zu können , eine Wohnung einzurichten .••

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