Steyrer Tagebuch Nummer 7, Dezember 1982

Leserbriefe Freunde, Kollegen, Genossen, Brüder und Sc h•~estern ! (Ihr könnt' s ( uch ja aussuc hen ) Da verkauft mir kürzlich an eine111 nebligen Novemberabend eine Eurer sympathischen Mitarbeiter i nnen da s 11 Steyrer Tagebuch" Nu111mer 6. Ich gehe hei111 und studiere es. Ihr wollt Leserbriefe . Na g~t ,- da ist einer. Kurz und ein wenig enttäuscht: Der Werndl Pepi war zwar ein kluger Kopf, das mag schon sein, aber wie könnt ihr so locker und flauschig über ei nen profitorientierten Fabriksherrn schreiben, ohne die Arbeitergeschichte von Steyr zu kennen oder zu erwähnen. "Josef Werndl, der Industriepionier von Steyr, legte diese Siedlung plangemäß an. 11 Hat ihm vielleicht dort und da auch ein Maurer geholfen . Wer hat die Pläne gezeichnet, die Erde aufgegraben, wie viele Arbeiter haben von früh bis spät um ein paar Kreuzer geschuftet? Ihr lobt ihn als Gründ~r der Waffenfabrik . Fällt Euch beim Stichwort Waffen sonst noch was ein? Was Ihr dann von den "steigenden Lohnkosten" schreibt als Ursache für den allmählichen Niedergang, dann wird Euer Standpunkt auf Seiten des Kapitals eindeutig klar. Die Grenzen des Zynismus erreicht Ihr dann aber wenn es heißt "Die Klosetts (für die Arbeiter) waren außen an den Zwischenräumen der Häuser in kleinen Holzverschlägen angebaut, was sicherl i ch im Winter nicht sehr angenehm gewesen sein mag". Die Bezeichnung "angeneh111 11 ist, le i se gesagt, eine problematische Frozzelei. Wißt Ihr in welchen Villen Werndl gelebt und wer ihm das alles erarbeitet hat? Darf ich Euch einen Vorschlag machen - oder zwe i : 1. Lest doch an eihem der stillen Ad ; enta~ende ein paar Seiten über Arbeitergeschichte i n Steyr bei Prof. Dr. Helmut Konrad (Uni Linz) nach. Den kennt ihr sic her. 2. Solltet Ihr dennoch be i günstiger Gelegenheit (vielleicht am 1. Ma i : Josef der A~beiter) für die Heiligsprechung des Fabriksherrn Josef Werndl eintreten, dann bitte ich Euch, das frühkapital i stische Industr i eproletar i at wenigstens in Gestalt zwe i er Enge l , den ei nen links, den anderen rechts an der feierl i chen Inthronisation teilhaben zu lassen. P.S.: Ein wen i g pr ovokant, aber wi r ver st eh en uns schon. Ich wünsc hte Euch eine n klaren Standpu nk t. Standpunkte gibt es nur unten, oben sind di e Wol ken. PPS: Der Art i kel über das. Hi nt ergeb i rge i st se hr i nformativ und gut gelungen. (Ni cht zum Trost, aber zur Wahr hei t ) . Herzl i che G r □ Be Euer Rup Federsel~ Zauber t als t raße 9, 4020 Li nz 25. November 1982 Grüß Euch Tagblättler ! (Scherz wird korrigert : 11 Tagebüchler") 3 Oho ! Siehe und staune: Titelbild und Leitar t ikel für das Hintergebirge . Obwohl hinlänglich bekannt ist und auch in vielen un-abhängigen Medien (Steyrer- zeitung , Nachrichten , .•. ) immer wie der zu lesen ist , daß Kraftwerksgegner augenscheinlich a) grüne Träumer b) Investi t ionsverhinderer c) Arbeits platz vernichte~ d) langhaarige un d daher rauschgifts üchtige Figuren sind , bedient sich Ih r e se hr ver ehrte Zei t schrift eines solc hen Themas . Zu Ihrem un d unser aller ver antwor tu ng svoll en Bürg er Glü ck er r eic ht Ih r Blatt ke in e allz u hohe Auf l agenz ahl, Ihre Ge fä hr lic hkeit ist demen t spreche nd gering . Sol lte sich die Lage j edoch wide r Erwa rten änd ern, vers i cher e ic h Ihnen, daß es demGesetz ents prech ende Mittel und Wege gi bt , die so l che Aus wüc hse de r Journ al isti k zu verhindern wissen . Ein Redakteur hat sch l ießl i ch Pfl ichten gege nü ber der Gesel l schaft !! N~n ernst : Wollt ih r wei te rbest eh en, so gebt Eurer Zeitu ng ein en krit i schen Flair (a' la 11 pr ofil " ), mi xt eine n Hauch von Gesellschaftskritik dazu, wür zt das Gan ze ein wenig mit alternati ven Ideen (z .B.: Bür ge rmeister Weiß übe r gi bt einen Papi er ko r b im Sta dt pa r k seiner Bestimmung) , so wlrd für ge wi sse Leute der Brei g' schmackig - mir wäre aber spei übel . Irgendwo befindet sich bei mir die Hoffnung , daß Ihr so weitermacht wie ~isher . Hut ab vor Heitzmanns Bericht über das Hintergebirge . Gerade_beim Theama "Speicherseen 1m Hintergebirge " wird aus vielerlei Gr ünden eine faire und sachliche Information seitens der Kr aftwerks planer verhindert oder zumindest sehr _schwer gemacht : Die Podiumsdiskussion am 11 . November war und ist nur eine Beispiel , was so manche Leute unter demokratischer Meinungsbildung verstehen . Wir , die "Basisgruppe - Schützt das Hintergebirge" lassen uns trotz mancher Drohungen und Einschüchterungsversuche nicht unterkriegen und ·wir sind bereit , auch unter großem ~persönlichen Einsat z weiterzuarbeiten . Doch dazu brauchen wir Unterstützung und Mitarbeit vieler Leute . Dagegen sein ist zu wenig . Wer nicht versucht , diesem Unsinn AKTIV entgegenzutreten , macht sich selbst schuldig . < Also - gerade Dich als Leser des "Tagebuchs" , brauchen wir . Bitte schreibt uns, oder setzt Euch sonst irgendwie mit uns (mit mir) in Verbindung : 11 Basisgruppe - Schützt das Hintergebirge" , Postfach 13, 4451 Garsten . Wir schicken Euch dann reichlich Informationen, laden Euch ein, veranstalten Wanderungen etc . Gerald Rettenegger 4462 Reichraming 188

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