Steyrer Tagebuch Nummer 6, November 1982

6 Hintergebirge Reichraminger Hintergebirge RETTEN, WAS NOCH ZU RETTEN IST Ja, so stillen ist das nun einmal mit den Gegenden unseres Landes: Bekannt werden sie erst, wenn es ihnen an den Kragen geht . So geschehen auch am Be ispiel des Reichraminger Hintergebirges, von dessen Existenz die breite Öffentlichkeit erst durch die geplante "Erschließung" (die VÖEST wollten einen Kanonen - Testschießplatz errichten) bzw. durch die Aktivitäten der daraufhin gegründeten Aktionsgemeinschaft zum Schutz dieses Gebiets Kenntnis erlangte. Das wahnwitzige Projekt konnte verhindert werden; zum Feiern blieb 'i ndessen keine Zeit : Die Ennskraftwerke AG. plant nun die Errichtung eines gewaltigen Kraftwerksprojekts im Hintergebirge. Wo und was Hintergebirge? ist das Reichraminger Zwischen Reichraming und Windischgarsten hat der Reichramingbach sein E nzug~gebiet von fast 170 km2 Größe - das größte geschlossenen Waldgebiet Oberösterreichs! Zahlreiche schluchtartige Täler gliedern diese einmalig schöne Landschaft, deren höchste Gipfel bis über 1700 m hoch aufragen. Dazwischen liegen einige auch heute noch bestoßene Almen. Der bedeutendste wirtschaftliche Faktor des Hintergebirges ist aber seit jeher das Holz. Jahrhundertelang wurde es mittels ausgeklügelter Schleusensysteme ins Ennstal getriftet (die verfallenen Reste der Klausanlagen sowie der Triftsteige sind mancherorts noch zu sehen!). In der Zwischenkriegszeit erbaute man eine 38 km lange Schmalspurbahn zum Holz Abtransport. Seit ihrer Einstellung 1971 besorgen dies Lastkraftwagen, denen heute ein mehrere hundert Kilometer langes Forst - Straßennetz zur Verfügung steht. Besonders diese oft autobusbreiten, kreuz und quer verlaufenden Schotterstraßen die von den Österreichischen Bund~sforsten stellenweise brutal wie kaum andersw~ ' in die steilen Felsen gesprengt worden waren, stellen bereits massive Eingriffe in die Naturlandschaft dar. Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, daß selbst jetz t noch gelegentlich harmlose Radfahrer von Forst - Aufsichtsbeamten angehalten und des Tales "verwiesen" werden, do~t, wo noch vor kurzem Kanonen hätten donnern sollen. Die unterste Staumauer des •eplanten Speicherkraftwerkes soll an der "Kaiblingmauer", ca . 4 km südlich von Reichraming 100 m hoch das Tal absperren. Die zweite, 80 m hohe Betonmauer ist an einer der engsten Schluchtstellen des Tales, an der "Großen Klause" geplant. Insgesamt wäre eine Talstrecke von 20 km betroffen , - das Herzstück des ll int.eq~ ebirg s! Schließlich soll auch der Laussabach (Hengstpaß Strecke) oberhulb d s romantischen Dörfchens Unterlaussa aus- und dem Reichramingbach zugelelte werden. Auch das Wass r der Stauseen soll in Druckstollen zu den KrafthRusern nahe der "Großen K1ause" b.:w. im Ortsbereich von Reichram i ng abgeleitet werden. Wie der trockennel Rte Unterlauf des Baches dann in Zu kunft. aussehen würde, kann man sich am eindruckvollsten Beispiel des unteren Cesiiuses ansehen ... Pure Bauernfängerei ... Unter dem Kapitel "Naturschu tz" steht in der, von der Ennskraftwerke AG herausgegebenen Projekts Information zu lesen, daß die wesentlichen Zugeständnisse an den. Naturschutz bereits im Verzicht auf die Ausleitung der Krummen Steyrling und der Steyr(!) gemacht worden wären. Alerdings nicht ganz freiwillig: 1975 wurde ein derartiges Projekt von der Aktionsgemeinschaft "Rettet das Steyrtal" verhindert! Dann folgt die große Zahlenjongliererei: Das (seit 10 Jahren ) geplante Naturschutzgebiet hätte zusammen mit dem bestehenden eine Fläche von 350 km2, von der das Kraftwerk lächerliche 5 km2 in Anspruch nehmen würde. Nicht viel auf den ersten Blick, wüßte man nicht, wo der Rest, nämlich über die Hälfte der angegebenen Fläche liegt: im Sengsengebirge nämlich! Überdies stellen diese 5 km2 eben auch das Herzstück des Hintergebirges dar. -

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