Steyrer Tagebuch Nummer 5, Oktober 1982

KRANKENHAUS Wenn Frauen eingestellt werden ... in zehn Jahren Berufstätigkeit ohne Berufsausbildung habe ich einiges er– fahren und auch die Grenzen meiner Möglichkeiten erlebt. Darum mein Ent– schluß, eine Ausbildung anzustreben. Da im Herbst 1979 meine kleine Tochter zur Welt gekommen ist, habe ich meine Wünsche noch einmal um drei . Jahre ver– schoben, um die erste Zeit ganz bei ihr zu sein. Vor allem durch Gespräche mit Bekann– ten, die im Krankenhaus Steyr be– schäftigt sind, hat sich für mich im– mer mehr die Gelegenheit abgezeichnet, mich an dieser Schule für die Ausbil– dung als Krankenschwester zu bewer– ben. Vom März bis August hat sich folgendes abgespielt: Anfang März: Unverbindliche telefonische Anfrage in der Schule, danach persönliches Ge– spräch mit der Schuloberin. Sehr genau hat sie mich über meine Motivation und über meine Lebensführung befragt und zu erkennen gegeben, daß es nicht ohne Bedeutung ist, wenn die Bewerberin ein Kind hat und mit dem Vater des Kindes zusammenwohnt, ohne verheiratet zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hat es schon dop– pelt so viele Bewerberinnen gegeben, als Schülerinnen aufgenommen werden. Von der Schuloberin habe ich den Ein– druck gewonnen, daß sie deutlich sagt, was sie denkt, aber eine grundsätz– liche Möglichkeit durchaus offen läßt. Am 17. März habe ich dann mein schrift– liches Ansuchen abgegeben. Selbstver– ständlich war es notwendig, einen aus– führlichen Lebenslauf beizulegen. Daraufhin ist am 26. April die Zu– schrift von der Krankenpflegeschule über den Termin der Aufnahmeprüfung und der Aufnahmekommission einge– langt. Bis dahin waren folgende Dokumente und Unterlagen abzugeben: Abschlußzeugnis der Hauptschule und der Hauswirtschafts– schule, Staatsbqrgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, amtsärztliches Zeugnis, zahnärztliches Attest, polizeiliches Führungszeugnis (kostet öS 200,--) . 13 Dann am 5. Juni die Aufnahmeprüfung, bestehend aus einem "sozialepr Eignungs– test" (einige Seiten Fragen, bei denen von drei möglichen Antworten jeweils eine nach dem persönlichen Gefühl anzu– kreuzen war) und einem "Intelligenz– test". Der Termin für die Aufnahmekommission am 24. Juni ·, die aus ca. 90 Bewerberin– nen etwa die Hälfte aussortieren soll. In der Zuschrift steht "Beginn 14 Uhr. Um pünktliches Erscheinen wird gebeten" In einem großen Vorlesungssaal waren die Kandidatinnen rechtzeitig erschie– nen. Alle ein bißchen nervös, denn na– türlic~ war es der Wunsch jeder ein– zelnen, aufgenommen zu werden. Nur von der Kommission war noch nichts zu se– hen und niemand wußte, wie die "Auf– nahme" geschehen soll. Um ca. 14,45 Uhr, hat sich's dann herausgestellt. Wir mußten einzeln vor der Kommission in alphabetischer Reihenfolge er– scheinen. Diese ganze Prozedur hat dann natürlich Stunden gedauert. Icµ bin um ca. 17,30 Uhr drangekommen. Am meisten hat mich der Mann in der Mit– te ausgefragt - über das, was ich vor– her beruflich gemacht habe, wie ich es mir vorstelle, neben einem kleinen Kind die Schule zu besuchen, auf der Station zu arbeiten und auch zu Hause noch zu lernen, wo denn das Kind überhaupt ble~ ben soll, ob ich nicht daran denke, zu heiraten, ob ich Operationen gehabt habe, weshalb 90 Fehlstunden im letzten Zeugnis stehen, warum ich nicht gleich nach der Pflichtschule diesen Beruf ge– wählt habe, ....• Danach wieder zwei Stunden warten, bis alle durch waren. Bis zu dem spannenden Augenblick, wo je– ne Hälfte der Bewerberinnen aufgerufen wurde , die nicht aufgenommen werden .

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