Steyrer Tagebuch Nummer 3, Juni 1982

DER KOMMENTAR ZUR GEMEINDEPOLITIK 1 . Immer wieder härt man die For– derung, öffentliche Stellen soll – ten sparsamer wirtschaften . Das klingt zwar sehr sonderbar, wenn es von je~en kommt~ die durchaus nichts gegen wesentlich sinnlosere privat Verschwendung einzuwenden haben - ob es die meist grenzde – bile Werbung mit ihrem wälder – fressenden Papierverbrauch oder die neuesten Verpackungsexzesse in Aluminium sind . Trotzdem muß die Forderung nach größtmöglicher Sparsamkeit der öffentlichen Hand bei der Realisierung ihrer Auf – gaben unterstützt werden . 2 . Außerdem härt man , der " heu – tigen Jugend" gehe es zu gut , sie wolle nicht mehr arbeiten , bekom– me alles ohne Leistung , sei po – litisch uninteressiert , könne nur krit i sieren und demolieren ••• Für den überwiegenden Teil der Jugend stimmt das nicht und bei den Übrigen ist den Umständen ihres Aufwachsens aft mit freiem Auge anzusehen, wieso es so ge – kommen ist . Zu diesen Umständen gehärt auch die Tatsache , daß es vom Kleinkind angefangen immer weniger Möglichkeiten gibt , an – d2res zu entfalten , als ein passives Konsumverhalten , ange– fangen von den schicken Baby – kleidern , die nicht beschmutzt werden sollen , bis zu fix fer - tig gestalteten Lokalen , wie Diskotheken oder Jugendzentren , die der Kreativität der Bsucher kein Betätigungsfeld mehr bie - ten, jedenfalls weit nicht so viel , wie dem Umsatzstreben der beteiligten Baufirmen . Beides fiel mir nach dem vom Verein BasiskuLtur heuer schon zum dritten Mal veranstalteten Wehrgrabenfest ein . Was mir so bemerkenswert erscheint ist, daß hier junge Leute zwischen 16 und 30 etwas auf die Beine stellen , wozu es vom Renovieren des Vereins – lokales über das Aufstellen ei - nes weitgespannten Musik -, Unter – haltungs - und Nachdenkp rogramms bis zur Zubereitung von Span – ferkel und Bratwürsten samt Ab – waschen und Putzen , eine Menge 18 Arbeiten von recht kreativen Tä – tigkeiten bis zur "Idiotenhackn" . Und sie tun es freiwillig , ohne bisher öffentliche Unterstützung bekommen zu haben , die bei anderen Vereinen ganz ansehnliche Summen ausmacht. Trotzdem tun sie es nicht nur für sich , engagieren sich für Protieme der Stadt wie die Zukunft des Wehr – grabens, freuen sich über aus – ländische Arbeiter , wenn sie sich bei ihnen wohlfühlen , suchen Kon – takt zu den Umwohnenden (wo gibt es noch Jugendzentren, die mit ihrer Umwelt keine Probleme haben?) Natürlich ist auch hier ni.cht alles ideal, es gibt immer wieder Zeiten sehr flauen Vereinslebens . Wenn man baer bedenkt , daß trotz be – sorgniserregenden Alkoholkonsums mancher Mitglieder (wozu aller– dings Parallelen bis in höchste Schichten unserer Gesellschaft zu finden sind) nie ein polizeiliches Eingreigen nötig war, oder gar Ver – letzte zu beklagen waren , wie beim Werndlfest eine Woche vor dem Wehr – grabenfest , mag es doch auch daran liegen , daß hier Jugendliche etwas eigenes haben und darüber selbst bestimmen können , zum U~terschied etwa des Publikums im Jugendzen – trum der AK , dem um viel Geld Fertiges hingestellt wurde . Der vermehrte Einsatz öffentlicher Mittel bedeutet dort weniger Mög – lichkeiten für die Besucher und mehr Probleme für die Betreuer . Mit einem kleinen Bruchteil davon könnte eine Initiative wie der Ver – ein Basiskultur das Material be– schaffen, um sein Lokal mit eigener Arbeit dauerhafter zu renovieren oder das nach dem Abgahg von Herrn Hinterdorfer wieder flau ge – wordene Steyrer Jugendkulturpro– gramm zu beleben . Jugendarbeit ist mindestens ein Jahrhundertthema. Ich schließe da– r-er ohne direkten Schluß und mit der Bitte an die Leser sich einen Reim darauf zu machen. Reinhard Kaufmann

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