Steyrer Tagebuch Nummer 3, Juni 1982
Also stimmt es, daß all das ge– gen den Willen der Bauern und zu ihrem Nachteil gemacht wird , durchgesetzt mit roher Gewalt. Ich beginne die Nachrichten von verzweifelten Aufständen in den Entwicklungsländern zu verstehen . Ich beginne den teuflEchen Plan der Ausbeutung zu begreifen . Und ich begreife , daß diese Ausbeu - t U IU tung sehr viel mit mir zu tun hat , ja zum Teil für mich ge– schieht ! Viele Fragen tauchen auf - und mir vergeht die Lust auf Ananas und Löskaffee , Erdnüsse und Jean . I eh merke , wie ich in einem Sy •'· stem mitarbeite , das ich nicht will und dessen Ungerechtigkeit ich ablehne . Aber ich merke auch , wie oft ich von den Tatsachen weggeschaut habe , welch primitive und falsche Erklärungen ich ge– glaubt habe , weil es das ein– fachste war . Ich merke , daß ich mir in meinem Leben nicht alles redlich verdient habe , sondern daß das Weltwirtschaftssystem die Industriestaaten bevorzugt (und damit mich ) indem es einen Großteil der Entwicklungsländer ausbeutet , oft bis zum Tod . "In s Tagebuch geschrieben" Es werden Menschen kommen , denen sinnloses produzieren gleichgültig ist. ~enen ~rie - ge führen verhaßt ist . Si 7 w~l – len keiner monotonen Arbeit in den Fabriken nachgehen . Sie wer– den keine Beziehung mehr haben zu diesem gefühllosen materia– listischen Denken unser 7 r Zeit - doch •sie werden fragen nach dem Millionen Jahre alten Wind - ob ihr noch Vögel , Fische , Füchse , Blumen und Bäume aufge – hoben habt ? Wenn anderswo alle Wälder ge – rodet sind - die Natur von Al – len Schätzen beraubt ist - alle Städte über die Ränder getreten sind und alle Täler überquellen vom Müll. 10 Ich erinnere mich , wie sehr ich mich in der Schule darüber er – regt habe, daß nach dem z~eiten Weltkrieg die Menschen wie Un – Schuldslämmer gesagt haben : "Da– von haben wir nichts gewußt", obwohl oft nur wenige Kilometer entfernt unzählige Juden ermor – det worden waren . Und ich spüre eine Ähnlichkeit dieser Situa– tion mit der heutigen. Wenn ich auch nicht weiß, was · ich an der Situation ändern kann und muß, ist eines für alle Mal klar : Ich habe davon gewußt! Thomas Honsig PS : Mit all den angeschnittenen Fragen beschäftigt sich der Ver – ein "G emeinsam für Gerechtigkeit " Stadt~latz 29/1 (Dritt e - Welt – laden) . Jeden zweiten Dienstag im Monat trifft sich dort ein Ar – beitskreis , der die Situation in den Entwicklungsländern , ihr~ Beziehung zu den Industriestaa– ten und vor allem die Möglich – keiten zur Veränderung erarbei – ten möchte . Alle Interessierten sind herzlich e~ngeladen . (Tel.: 248933) Sie werden fragen , können wir noch reine Luft atmen? Einen unbegradigten Fluß entlanggehen , Mulden ohne schwelenden Abfall durchwandern? Hänge ohne Beton– geschwüre besteigen? Wenn ihr die Natur zerstört , die die Basis für unser Leben ist , dann zerstört ihr euch selbst ! "Zu den Ammoniten im Steinbruch wird man wie nach Eleusis gehen - eure Geschichtslosigkeit war ein Windschat-te·n i, schrieb Margarete Hannsmann . Abseits der Erosion des Jahrtausends könn~ ihr denen , die zu euch kommen, ein anderes Werl,- und Lebengefühl vermitteln , falls J.'~ r den Augenblick - euren Augenblick - nicht zementiert . Erich Fröschl
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