Steyrer Tagebuch Nummer 0, März 1982
-4- Domitila Barrios de Chungara in Steyr Am 12.Februar 1982, dem Jahrestag der Kämp– fe zwischen sozialdemo– kratischen Arbeitern und faschistisch~n Heimwehren samt Bundes~ heer auch in Steyr, veranstaltete eine "Ak– tionsgruppe FRIEDEN", bestehend aus Gewerk– schaftsjugend, Kath. Arbeiterjugend und Ver– ein Basiskultur im Saal der AK einen Informa– tionsabend über Bolivi– en. Die bolivianische Gewerkschafterin DOMITILA BARRIOS DE CHUNGARA und der län– gere Zeit in Bolivien gewesene Pater Gerhard Müllauer waren gekom– men. Wir bringen hier Zitate aus dieser Veranstal– tung: DOMILILA: ~ Ich bin aus meinem U Heimatland exiliert und muß in Europa le– ben. Ich weiß, daß es hier sehr wenig Informati– onen über die latein– amerikanische Wirklich– keit gibt. ·ttber Bolivi– en weiß man meist nur, daß es wieder einmal einen Putsch gegeben hat. und dies steht sehr oft nur in klei– nen Notizen in den Zei– tungen. Wir in Bolivien sind Weltmeister in Putschen •••• In unserem Land herrscht eine faschis– tische Militärdiktatur. Es gibt viele Dokumen– te, die die Anwesenheit alter deutscher Fa– schisten in unserem Land beweisen. Sie ·ha– ben sich, nachdem sie in Europa niederge– kämpft waren, in La- teinamerika festge– setzt. Sie haben mitge– holfen, hier neue Mili– tärapparate aufzubauen, um das Volk zu unter– drücken. Diese Militär– apparate arbeiten im Interesse des auslän– dischen Kapitals ••• Uber ein Land wie Österreich wissen wir nur, daß es Panzer nach Bolivien liefert. Für uns ist Osterreich gleichbedeutend mit: I'anzer. , Wenn wir irgendwo auftreten, hören wir viele Leute sagen: die armen Bolivianer;und wir werden mit Mitleid betrachtet, weil sie glauben, wir seien Bettler. Es ist ·jedoch ganz an– ders. Bolivien ist ein rei– ches Land. Aus Bolivien werden viele Mineralien exportiert: Zinn, Silber, Uran, Gae Erdöl, Eisen. Bolivien ist ein gros– ses Land mit nur fünf Millionen Einwohnern. Wir haben drei Klimazo– nen: das Hochland mit den ,Bodenschätzen, die subtropischen Täler, das tropische Tiefland. Dadurch können wir al– les anbauen und sind eigentlich ein uner– meßlich reiches Land. Aber obwohl das Volk von Bolivien ein fleis– siges Volk ist, lebt es in schlechten Zustän– den, seit die Spanier es erobert, versklavt und ausgebeutet haben. Die spanischen Eroberer begannen, Gold und Sil– ber aus Bolivien nach Europa zu schaffen. Erst im vorigen Jahr– hundert ist es nach 15- jährigem Kampf gelungen die politische Vorherr– schaft der Spanier zu brechen. Doch · nun gibt es eine andere Vorherr– schaft. Seit 150 Jahren sind wir Sklaven des ausländi– schen Kapitals und damit abhängig von ausländi– schen Wirtschaften ••• Wir haben keinen Ein– fluß auf die Preise der Rohstoffe, die wir lie– fern. Wenn wir z.B. zu– sammen mit dem größten Zinnproduzenten der Welt (Malaysia) den Preis für Rohzinn anhe– ben würden, sind wir so– fort der Erpressung urch die USA ausgesetzt die dann aus ihren stra– tegischen Reserven Zinn extrem billig auf den Markt werfen, sodaß uns niemand mehr etwas ab– kauft. Seit 150 Jahren hat es in Bolivien 189 Put– sche gegeben. Ein Mili– tärputsch bedeitet im– mer Kord, Folter und Un– terdrückung, bedeutet Einkerkerung der führen– den Gewerkschafter, Pressezensur, Entlassun– gen ••• Es kann keinen Frie– den geben, solange in Lateinamerika oder ir– gendwo sonst Militärdik– taturen herrschen. Es kann keinen Frieden ge– ben, solamge einige we– nige die Menschen dazu bringen, Waffen herzu– stellen zum Töten.·•• Millionen von Men– schen haben heute kein Radio, haben kein Fahr– rad und vielleicht noch nicht einmal eines ge– sehen. Ich sage den Ar– beitern, wenn es morgen so ist, daß sie keine Waffen mehr erzeugen, sondern Motorräder und
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